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Chinas Stahlindustrie am Scheideweg?

Die chinesische Stahlindustrie steht unter Druck: Im Inland schwächelt die Nachfrage. Die Folge sind Überkapazitäten, eine veränderte Exportstrategie und protektionistische Gegenmaßnahmen anderer Länder.

von | 30.04.24

Inspektion von H-Trägern im Lager, Bildquelle: Worldsteel/Baotou Iron & Steel Group Co. Ltd.
©Worldsteel/Baotou Iron & Steel Group Co. Ltd.
Chinesische Stahlindustrie, Inspektion von H-Trägern im Lager

April 2024 | Die chinesische Stahlindustrie steht unter Druck: Im Inland schwächelt die Nachfrage. Die Folge sind Überkapazitäten, eine veränderte Exportstrategie und protektionistische Gegenmaßnahmen anderer Länder.

Über Jahrzehnte spiegelte das Wachstum der chinesischen Stahlindustrie den Aufstieg des Landes von einem Entwicklungsland zu einer wirtschaftlichen Großmacht wider. Der Erfolg Chinas als Exportführer basiert auf den zwei Säulen der Urbanisierung und der Infrastrukturentwicklung, die beide enorme Mengen an Stahl erfordern. Um diesen Bedarf zu decken, wuchs die Stahlindustrie des Landes und stellt mittlerweile über die Hälfte der globalen Stahlproduktion bereit.

In einer Zeit tiefgreifender wirtschaftlicher Unsicherheiten steht jedoch die chinesische Stahlindustrie vor erheblichen Herausforderungen.

Die aktuelle Lage der chinesischen Stahlindustrie spiegelt sich in den jüngsten Exportzahlen und der damit verbundenen Wirtschaftsdynamik wider. Ein wesentliches Merkmal ist die nachlassende inländische Nachfrage. Diese ist hauptsächlich auf die schwächelnde chinesische Immobilienbranche und die Zurückhaltung lokaler Administrationen bei Infrastrukturprojekten bedingt.

Der asiatische Stahlmarkt steht daher vor Herausforderungen, da die Aussichten für den chinesischen Immobilien- und Bausektor anhaltend schlecht sind. Diese Situation hat zu einer Überkapazität in der chinesischen Stahlproduktion geführt.

Einige Stahlhersteller versuchen, diese durch gesteigerte Exporte auszugleichen, teils sogar zu Preisen unterhalb der Produktionskosten.

Export als doppeldeutiges Zeichen

Der signifikante Anstieg der Stahlexporte aus China um 35% im ersten Quartal 2024 gegenüber dem Vorjahr könnte einerseits als Indikator für eine starke Produktionskapazität und Wettbewerbsfähigkeit interpretiert werden. Andererseits deutet ein Anstieg ohne eine entsprechende Steigerung der globalen Nachfrage auf eine Schwäche der inländischen Wirtschaft hin.

Die chinesische Stahlindustrie sichert sich größere Marktanteile – allerdings zulasten anderer Akteure auf dem globalen Markt. Dies hat bereits zu protektionistischen Maßnahmen wie höheren Stahltarifen in Ländern wie Brasilien geführt, die ihre heimische Produktion schützen wollen.

Wie S&P Global vergangene Woche berichtete, schlägt das brasilianische Ministerium für Entwicklung, Industrie, Handel und Dienstleistungen die Einführung von Einfuhrkontingenten und die Erhöhung der Einfuhrzölle auf 25 % vor. Betroffen wären 11 Kategorien von Walzstahlerzeugnissen. Im vergangenen Jahr hatten die Rekordeinfuhren fast 20 % des Inlandsmarkts betragen und die Leistung der heimischen Stahlwerke beeinträchtigt.

Signale aus dem Inlandsmarkt

Der Rückgang des inländischen Stahlkonsums in China um 13,1% und der Produktionsrückgang um 7,8% im März 2024 sind weitere Belege für eine mögliche Schwäche der chinesischen Wirtschaft. Diese Entwicklungen sind alarmierend, da die Stahlindustrie traditionell ein Gradmesser für die allgemeine industrielle und bauliche Aktivität ist.

Eine Verlangsamung in diesem Sektor könnte auf tiefere strukturelle Probleme innerhalb der chinesischen Wirtschaft hindeuten, insbesondere im Immobilien- und Infrastrukturbereich.

Darüber hinaus zeigt der Anstieg der Eisenerzvorräte in China um 15% im ersten Quartal, dass wesentliche Rohstoffe für die Stahlherstellung ungenutzt bleiben. Dies deutet darauf hin, dass die Produktion möglicherweise schneller zurückgeht als der Verbrauch. Einige asiatische Hüttenwerke sind auf inländischen Schrott ausgewichen, um den schwächeren nachgelagerten Stahlmarkt auszugleichen.

S&P Global beobachtet derzeit strukturelle Veränderungen der chinesischen Stahlindustrie. Einige chinesische Stahlhersteller hätten eine Neuausrichtung von langen Stahlerzeugnissen, die im Bauwesen verwendet werden, auf exportgeeigneten Flachstahl vollzogen. Der Anstieg der chinesischen Stahlexporte habe die Stahlpreise in ganz Asien sinken lassen, da Stahlexporteure aus mehreren Ländern um Anteile am internationalen Stahlexportmarkt konkurrieren.

Ausblick

Zusammenfassend ließe sich sagen, dass die chinesische Stahlindustrie eine Phase der Umstrukturierung und strategischen Neuausrichtung durchläuft, getrieben durch innenpolitische Herausforderungen und veränderte globale Marktbedingungen. Die erhöhten Exporte könnten kurzfristig finanzielle Entlastung bieten, langfristig jedoch strukturelle Anpassungen in der Produktion und im wirtschaftlichen Ansatz erfordern, um nachhaltig erfolgreich zu sein.

 

(Quelle: S&P Global/2024)

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