Generic filters
Exact matches only
FS Logoi
Aktuelle Studie zu Auslandsinvestitionen im deutschen Mittelstand
©Jason Goh
Wolkenkratzer

Im Fokus: Mittelständische Auslandsinvestitionen und ihre Rolle für die deutsche Wettbewerbsfähigkeit

Kategorien: |
Autor: PERIMETRIK® Bonn/Darmstadt

Datum: 22. Dez. 2023

21. Dezember 2023 | In ihrem aktuellen Bericht analysiert KfW-Ökonomin Dr. Jennifer Abel-Koch die Auslandsinvestitionen im deutschen Mittelstand. Die Diskussion über die Zukunftsfähigkeit Deutschlands als Wirtschaftsstandort habe durch die Energiekrise an Intensität gewonnen und die Befürchtungen einer fortschreitenden Deindustrialisierung verstärkt. Trotzdem zeige sich eine geringe Neigung zur Verlagerung von Unternehmensaktivitäten ins Ausland. – Eine Zusammenfassung.

Die Investitionsentscheidungen im Mittelstand werden laut Dr. Abel-Koch hauptsächlich von Wachstumsmotiven getrieben, insbesondere von der Erschließung neuer Absatzmärkte. Vergangene Studien haben aufgezeigt, dass Auslandsinvestitionen in der Regel zusätzliche Investitionen im Inland nach sich ziehen, anstatt diese zu ersetzen. Dies gilt besonders für Investitionen zur Erschließung neuer Märkte und zum Ausbau des Vertriebsnetzes.

Die repräsentativen Ergebnisse des KfW Mittelstandspanels 2023 deuten darauf hin, dass die Auslandsinvestitionsneigung in Zukunft ähnlich hoch sein dürfte wie vor der Corona-Pandemie. Es wird jedoch angenommen, dass vor allem umsatzstarke Unternehmen, insbesondere aus dem Verarbeitenden Gewerbe, die treibende Kraft hinter mittelständischen Auslandsinvestitionen sein werden. Dies liegt vor allem an den enormen personellen und finanziellen Ressourcen, die solche Investitionen erfordern. Bei geringen Produktions- und Absatzmengen lohnt sich die Aufteilung auf mehrere Standorte in der Regel nicht.

Der Anteil der Investitionsplaner unter Mittelständlern mit mehr als 50 Mio. EUR Jahresumsatz liegt mit 13,9% fast viermal so hoch wie bei Unternehmen mit weniger als 1 Mio. EUR Jahresumsatz. Im Verarbeitenden Gewerbe beträgt der Anteil der investierenden Unternehmen 6,8% und ist deutlich höher als beispielsweise im Dienstleistungssektor oder im Baugewerbe. Diese strukturellen Unterschiede bestehen traditionell nicht nur bei den Auslandsinvestitionen, sondern auch bei den Exportumsätzen. Als Anzeichen einer zunehmenden Deindustrialisierung seien sie kaum zu bewerten.

Gründe für Auslandsinvestitionen

Das mit Abstand wichtigste Motiv für Investitionen im Ausland ist die Erschließung neuer Absatzmärkte. Hierbei spielt auch die grüne Transformation eine Rolle, da immer mehr Länder Klimaneutralität anstreben. Deutschland als weltweit zweitgrößter Exporteur von Umwelt- und Klimaschutzgütern hat beträchtliche Wachstumschancen, die durch die Errichtung von Produktions- und Vertriebsstandorten im Ausland genutzt werden können. Daher planen Unternehmen, die ihr Angebot an grünen Produkten in der Zukunft erweitern wollen, dreimal häufiger Auslandsinvestitionen als andere Unternehmen.

Etwa 29% der Unternehmen sehen in der besseren Verfügbarkeit von Fachkräften einen wesentlichen Grund für ihre geplanten Auslandsinvestitionen. Einige Mittelständler zielen mit ihrer Investition auf eine Senkung ihrer Steuerlast ab, während andere auf eine geringere Belastung durch regulatorische Anforderungen hoffen. Steuern, Abgaben und Bürokratie werden als Risiken für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands am Standort Deutschland wahrgenommen.

Obwohl der Bürokratiekostenindex des Statistischen Bundesamtes eine Verringerung der Bürokratiebelastung von Unternehmen zeigt, berücksichtigt dieser Index nur den “Papierkram”. Ein umfassenderes Maß für die Kosten zur Befolgung gesetzlicher Vorgaben ist der Erfüllungsaufwand. Und der Erfüllungsaufwand ist seit 2019 kontinuierlich gestiegen.

Dr. Abel-Koch, KfW Research Nr. 446

Markterschließung als dominierendes Motiv für Auslandsinvestitionen

 

Energiekosten gehören nicht zu den wesentlichen Treibern

Die Senkung der Stromkosten ist nur für jedes vierte Unternehmen mit Investitionsplänen im Ausland ein wesentliches Motiv, und die Senkung der Gaskosten gilt sogar nur für jedes sechste Unternehmen.

Obwohl die Senkung der Energiekosten, insbesondere der Stromkosten, einen höheren Stellenwert für Unternehmen hat, die in den kommenden Jahren im Ausland investieren wollen, gehören Energiekosten nicht zu den Haupttreibern von Auslandsinvestitionen im Mittelstand. Dies liegt daran, dass die Energiekosten in der Breite des Mittelstands als tragbar eingeschätzt werden und mehrheitlich nicht als gravierender Nachteil im internationalen Wettbewerb wahrgenommen werden.

Auch andere Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass Energiekosten nicht zu den Haupttreibern von Standortentscheidungen gehören, wenngleich sie für einzelne energieintensive Industriezweige – wie die Metallindustrie oder die Grundstoffchemie – bedeutsam sind. Analysen zu den Gaspreisen zeigen, dass die Auswirkungen des Preisanstiegs auf wenige Produkte mit hoher Gasintensität konzentriert sind. Es handelt sich meist um Vorleistungsprodukte, die eine unterdurchschnittliche Wertschöpfung erzeugen und in vielen Fällen leicht zu importieren sind. Deutschland könnte perspektivisch in diesem Bereich Produktionsstandorte verlieren. Laut der KfW-Ökonomin wird ein deutlicher Verlust an Wertschöpfung, Beschäftigung und Einkommen voraussichtlich jedoch nicht eintreten.

China verliert, USA gewinnen

China verliert als Ziel mittelständischer Auslandsinvestitionen an Attraktivität, während die USA an Bedeutung gewinnen. Nur 3% aller im Ausland investierenden Mittelständler haben in China Produktions- oder Vertriebsstandorte aufgebaut oder sich an chinesischen Unternehmen beteiligt. Die Corona-Krise hat die Anziehungskraft Chinas verringert. Zudem erschweren die staatliche Subventionierung heimischer Unternehmen sowie die strenge Regulierung des Marktzugangs für ausländische Investoren den deutschen Mittelständlern die Etablierung in China. Im Gegensatz dazu haben die USA an Attraktivität gewonnen, insbesondere aufgrund eines hohen Absatzpotenzials und den im Vergleich zu Europa günstigen Energiekosten.

Europa bleibt das wichtigste Investitionsziel, wobei Osteuropa an Bedeutung gewonnen hat. Etwa jeder dritte Mittelständler, der im Ausland investiert, tut dies in Osteuropa. Das entspricht einem Anstieg um 11 Prozentpunkte gegenüber dem Vierjahreszeitraum 2012–2015. Insbesondere Polen hat sich aufgrund einer wachsenden Verkehrsinfrastruktur, gut ausgebildeter Fachkräfte und eines dichten Lieferantennetzwerks zu einem attraktiven Produktionsstandort in unmittelbarer Nähe zu Deutschland entwickelt. Trotzdem besteht in Polen noch Nachholbedarf bei der Verfügbarkeit erneuerbarer Energien, was für Unternehmen, die ihren CO2-Fußabdruck messen, eine Rolle spielt. West- und Nordeuropa haben aufgrund des Brexits an Attraktivität verloren.

Fazit

Investitionsentscheidungen werden selten auf Grundlage einzelner Standortfaktoren wie Strom- oder Gaspreise getroffen, sondern berücksichtigen die Gesamtheit der Rahmenbedingungen. Dennoch müssen die Sorgen um die Zukunftsfähigkeit des Standorts Deutschland ernst genommen werden. Der KfW-Internationalisierungsbericht hat gezeigt, dass durchaus Risiken für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands bestehen.

Insbesondere Bürokratie, Steuern, Abgaben sowie Umwelt- und Klimaschutzbestimmungen bereiten den Unternehmen Sorgen. Zudem unterstreichen die Ergebnisse der PISA-Studie den dringenden Handlungsbedarf im Bereich Qualifizierung und Fachkräfte. Auch die Energiekosten, wenn auch nicht das größte Risiko, sollten im Blick behalten werden. Die komparativen Vorteile Deutschlands, darunter hoch qualifizierte Arbeitskräfte, verlässliche regulatorische Rahmenbedingungen, hohe Forschungsaktivität und effiziente Produktionstechnologien, sind für die Zukunft keineswegs gesetzt. Ihre Erhaltung erfordert innovative Ideen, wirkungsvolle Konzepte sowie politischen Willen und Umsetzungsstärke.

 

Originalpublikation:
Dr. Jennifer Abel-Koch (2023): Erschließung neuer Absatzmärkte wichtigster Grund für mittelständische Auslandsinvestitionen. In: KfW Research Publikationen, Nr. 446, 21.12.2023.

 

(Quelle: KfW/2023)