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EMI: Auftragseingang und Energiepreise lassen Industrie schrumpfen

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Autor: Magnus Schwarz

Datum: 07. Okt. 2022

Die Lage in der deutschen Industrie hat sich im September weiter verschlechtert. Das signalisiert der saisonbereinigte S&P Global/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI), der aktuell noch weiter in den roten Bereich abrutschte und mit 47,8 Punkten – nach 49,1 im Vormonat – auf dem tiefsten Stand seit Juni 2020 notierte. Die Talfahrt bei den Auftragseingängen hat sich fortgesetzt, während die massiv steigenden Energiepreise die Kosteninflation weiter anheizten, teilt S&P Global mit.

Aufgrund der besseren Verfügbarkeit einiger Rohmaterialien schrumpfte die Produktion so geringfügig wie seit drei Monaten nicht mehr. Dies konnte jedoch nicht den Absturz der Geschäftsaussichten auf den niedrigsten Wert seit Mai 2020 verhindern, da die vielerorts hohen Bestände an Fertigwaren sowie die Unsicherheiten rund um die Energieversorgung für wenig Zuversicht im Hinblick auf zukünftiges Wachstum sorgten.

„Die September-Daten zeigen einen sich verfestigenden Abwärtstrend im Verarbeitenden Gewerbe der größten Volkswirtschaft Europas. Immer mehr Industriebetriebe leiden unter der sinkenden Nachfrage sowie den steigenden Energiepreisen, die den Kostendruck erhöhen“, betonte Gundula Ullah, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), am Freitag in Eschborn.

„Alle Zeichen stehen auf Rezession. Während Deutschland im zweiten Quartal noch mit einem Mini-Wachstum aufwarten konnte, ist mittlerweile offensichtlich, dass die Energiekrise Deutschland in eine Rezession führen wird“, kommentierte Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, am Freitag auf BME-Anfrage die aktuellen EMI-Daten.

Hohe Inflationsraten verunsicherten Konsumenten und Produzenten; manche von ihnen würden dies nicht stemmen können.

„Zum Glück konnte die Gasumlage noch abgewendet werden. Aber auch mit der Gaspreisbremse bleiben die Aussichten schwach. Hohe Kosten, geringe Nachfrage, steigende Zinsen: Das sind die Zutaten einer Rezession. Es bleibt zu hoffen, dass nicht nur Unterstützungspakete geschnürt werden, sondern auch das Energieangebot ausgeweitet wird. Dabei darf es keine ideologischen Scheuklappen geben. Atomstrom und Fracking aus Deutschland sollten dazu gehören“, fügte die Helaba-Bankdirektorin in ihrem Statement für den BME hinzu.

„Rezession mit Ansage: Wie in der Corona-Phase stehen Grund und zeitlicher Verlauf der Rezession schon vorher fest; das ermöglicht den Unternehmen und der Politik wenigstens, sich so gut wie möglich vorzubereiten“, sagte Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, am Freitag dem BME.

Keine positiven Impulse aus dem Ausland zu erwarten

„Die hohen Energiekosten und die große Unsicherheit vieler Betriebe bezüglich der zukünftigen Energieversorgung dämpfen nicht nur die Produktion, sondern belasten auch die Nachfrage nach Industriegütern. Angesichts der abkühlenden Weltkonjunktur sind aktuell auch keine positiven Impulse aus dem Ausland zu erwarten“, teilte DIHK-Konjunkturexperte Jupp Zenzen am Freitag dem BME mit. Erschwerend komme hinzu, dass die Lieferkettenproblematik noch nicht ausgestanden sei. Zenzen: „Wir steuern damit geradewegs auf eine Rezession zu.”

Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise gab Dr. Heinz-Jürgen Büchner, Managing Director Industrials, Automotive & Services der IKB Deutsche Industriebank AG, am Freitag dem BME folgende Einschätzung: „Im Verlauf des September 2022 gab es bei den meisten Rohstoffpreisen nochmals leichte Korrekturen nach unten. Bei vielen scheint aber mittlerweile der Boden erreicht. So verbilligten sich zum Beispiel infolge sinkender Zinkpreise verzinkte Bleche deutlich, während Walzdraht in Folge eines knappen Angebots praktisch seitwärts ging. Rohöl scheint seine aktuelle Basis gefunden zu haben. Vor allem aber überraschte, dass der Gaspreis auf den Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines nur ganz kurz reagierte. Allerdings wurde auch schon in den Wochen zuvor kein Erdgas mehr durchgeleitet. Wie sich letztendlich die Gaspreisbremse hierauf auswirkt, kann erst nach der endgültigen Ausgestaltung auch für Industrieunternehmen beurteilt werden. Die Angebotsreduktion in den USA durch die Auswirkungen des Hurrikan Ian dürften nicht nennenswert auf den europäischen Preis durchschlagen.“

Die Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick:

Produktion: Auch im September ging die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe zurück, was in den meisten Fällen mit Materialknappheit, den hohen Energiekosten und der geringeren Nachfrage begründet wurde. Einige Befragte berichteten allerdings, dass sich die Situation bei der Zulieferung mit Rohmaterialien etwas entspannt hat, was dazu führte, dass sich die Rückgangsrate den zweiten Monat in Folge abschwächte.

Auftragseingang: Bei den Auftragseingängen hielt die Talfahrt nicht nur an, sie beschleunigte sich sogar noch. Laut Umfrageteilnehmern wächst die Zurückhaltung unter den Kunden, angesichts der unsicheren Wirtschaftsaussichten und des hohen Preisniveaus. neue Projekte oder Aufträge zu erteilen

Auftragseingang Export: Zum Minus beim Gesamt-Auftragseingang trug auch das erneut rückläufige Auslandsgeschäft bei. Die Exportaufträge schrumpften nicht nur den siebenten Monat in Folge, sondern auch so stark wie seit Mai 2020 nicht mehr. Ursache hierfür sei nach Angaben einzelner Befragter vor allem die schleppende Nachfrage aus Europa und China gewesen.

Geschäftsaussichten: Die deutschen Hersteller blickten im September erheblich pessimistischer in die Zukunft als zuletzt. Demnach sanken die Geschäftsaussichten auf den tiefsten Stand seit dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie im Frühjahr 2020. Rund 43 Prozent der Umfrageteilnehmer erwarten Produktionseinbußen in den nächsten zwölf Monaten, während nur 13 Prozent mit Wachstum rechnen. Vor allem die hohe Inflation und hier insbesondere die dramatisch steigenden Energiepreise bereiten den Managern ernsthafte Sorgen.

Beschäftigung: Die Beschäftigung stieg im September den 19. Monat hintereinander an. Hauptursachen waren die Besetzung offener Stellen sowie die hohen Auftragsbestände bei manchen Herstellern. Allerdings schwächte sich die Wachstumsrate auf den niedrigsten Wert seit mehr als anderthalb Jahren ab, da einige Unternehmen ihre Kosten senken wollen, während andere ihr Personal an den niedrigeren Auftragseingang anpassen.

Einkaufspreise: Nachdem sich die Inflationsrate in den vergangenen vier Monaten jeweils leicht abgeschwächt hatte, zog sie – angetrieben von den explodierenden Energiekosten – im September wieder an. Zwar notiert die aktuelle Teuerungsrate deutlich über dem langjährigen Mittelwert, dennoch ist es die drittniedrigste der vergangenen 17 Monate, da unter anderem bei Stahl die Preise gefallen sind.

Verkaufspreise: Auch die Verkaufspreise wurden ein weiteres Mal angehoben, da viele Unternehmen nach wie vor versuchen, zumindest einen Teil der höheren Kosten an ihre Kunden weiterzugeben. Auch wenn die Inflationsrate immer noch weit über dem Langzeit-Durchschnitt liegt, ist der aktuelle Wert einer der niedrigsten der vergangenen 19 Monate. Rund ein Drittel der Befragten meldeten im Berichtsmonat eine Anhebung der Preise gegenüber dem Umfragerekord von 63 Prozent im April.

Über den EMI: Der S&P Global/BME-Einkaufsmanager-Index (EMI) gibt einen allgemeinen Überblick über die konjunkturelle Lage in der deutschen Industrie. Er ist eine Momentaufnahme der Geschäftssituation im Verarbeitenden Gewerbe und ein gewichteter Durchschnitt der Messwerte für Neuaufträge, Produktion, Beschäftigung, Lieferzeiten und Vormateriallager. Der Index erscheint seit 1996 unter Schirmherrschaft des BME. Er wird von S&P Global, einem börsennotierten US-amerikanischen Finanzdienstleistungskonzern, erstellt und beruht auf der Befragung von rund 500 Einkaufsleitern und Geschäftsführern der Verarbeitenden Industrie in Deutschland (nach Branche, Größe, Region repräsentativ für die deutsche Wirtschaft ausgewählt). Der EMI orientiert sich am Vorbild des US-Purchasing Manager´s Index (S&P Global US Manufacturing PMI).