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Stahl-Mittelstand zum Spitzengespräch in Berlin

Auf Einladung von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow kamen in Berlin führende Köpfe der mittelständischen Stahlindustrie zusammen. Inmitten hoher Energiepreise und zunehmender internationaler Konkurrenz diskutierten sie mit Politikern und Branchenexperten über dringende Maßnahmen zur Sicherung ihrer Zukunft.

von | 23.05.24

Mehr Unterstützung für Mittelstands-Stahl!
© Bernal Revert / BRU
Gerdau Ouro Branco steel plant

17. Mai 2024 | Auf Einladung von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hat es in Berlin ein Spitzengespräch zur mittelständischen Stahlindustrie gegeben. Daran nahmen neben den beiden ostdeutschen Regierungschefs rund 15 Branchenvertreter teil, darunter Manager mittelständischer Unternehmen aus ganz Deutschland.

Bei dem Gespräch ging es um einen Austausch über die derzeitige Situation, wirtschaftliche Rahmenbedingungen wie hohe Energiepreise und Zukunftsaussichten der mittelständischen Stahlunternehmen, die in Sachsen und Thüringen traditionell stark vertreten sind.

Bei dem Treffen in der Vertretung des Freistaates Sachsen beim Bund dabei waren zudem Vertreter aus den Wirtschaftsministerien der Länder und des Bundes, darunter der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Michael Kellner.

Bernhard Osburg Vorstand thyssenkrupp steel und Präsident WV Stahl

„Die mittelständische Stahlindustrie in Deutschland steht vor existenziellen Herausforderungen“, betonte der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Bernhard Osburg, beim Spitzengespräch in Berlin.

“In der für uns alle kritischen Phase der Transformation brauchen wir jetzt dringend tatkräftige politische Maßnahmen – gerade auch um die Wettbewerbsfähigkeit unserer mittelständischen Stahlindustrie zu sichern.“

Osburg forderte insbesondere eine Lösung für wettbewerbsfähige Strompreise und ganz akut eine Wiedereinführung des Zuschusses zur Stabilisierung der Übertragungsnetzentgelte.

 

 

Kretschmer und Ramelow fordern vom Bund mehr Anstrengungen zur Standortsicherung

Michael Kretschmer, Ministerpraesident von Sachsen, ©Thomas Imo/ photothek.de

Ministerpräsident Michael Kretschmer hob deb Beitrag der mittelständischen Stahlunternehmen für die Versorgung mit hochwertigem Stahl bei sparsamem Ressourceneinsatz hervor. Die heimische Stahlindustrie sei enorm wichtig für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung als auch die Stärke und Souveränität des Landes:

„Die von der Branche beschriebenen Herausforderungen sind groß – ob Zugang zur Wasserstoff-Infrastruktur, hohe Strompreise oder die Verknappung bei Stahlschrott. Die Bundesregierung ist gefordert, hier entschlossen und schnell zu handeln. Wir brauchen Rahmenbedingungen, die es diesen Unternehmen ermöglichen, die technologische Transformation zu meistern. Es geht darum, die Standorte und viele industrielle Arbeitsplätze bei uns in Deutschland zu sichern und zu stärken.“ so Kretschmer.

 

 

Bodo Ramelow, Bild: CC-4.0-Lizenz via Wikimedia Commons, Sandro Halank

Ministerpräsident Bodo Ramelow erklärte:

„In den Öfen der Elektrostahlunternehmen wird ein Großteil des deutschen Stahlschrotts wieder in neuen Stahl verwandelt. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft und sind ein Element des auf europäischer Ebene verabredeten Green Deals. Unternehmen wie das Stahlwerk Thüringen haben bereits in der Vergangenheit in die Reduktion von CO2-Emissionen investiert und verfolgen weitere Projekte zur Dekarbonisierung.“

Die mittelständischen Stahlunternehmen müssten bei der Bewältigung der anstehenden, enormen Transformationsherausforderungen jedoch die entsprechende Unterstützung des Bundes erfahren.

„Die Unternehmen stellen sich dem harten Wettbewerb in der Branche. Um bestehen zu können, brauchen und verdienen unsere Unternehmen faire Rahmenbedingungen.“ so Ramelow weiter.

 

Elektrostahlhersteller stehen vor existenziellen Herausforderungen

Die mittelständischen Unternehmen produzieren Stahl ausschließlich über die stromintensive Elektrostahlroute. Die Unternehmen erzeugen mit ihren etwa 32.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bundesweit rund 30 Prozent der inländischen Stahlproduktion. Sachsen und Thüringen sind traditionell bedeutende Standorte der deutschen Stahlindustrie. Allein in den vier Elektrostahlwerken dieser beiden Länder sind rund 4.000 Mitarbeiter beschäftigt.

Das Verfahren nimmt eine Schlüsselrolle in der Kreislaufwirtschaft und im Klimaschutz ein: Beim Elektrostahl entstehen mit dem heutigen Strommix nur ein Viertel der CO2-Emissionen, die bei der konventionellen Hochofenroute anfallen.

Allerdings stehen die Elektrostahlhersteller gegenwärtig vor existenziellen Herausforderungen: Hohe Energiekosten im Vergleich zum internationalen Markt, unfaire Importe aufgrund globaler Überkapazitäten und einer schwächelnden Konjunktur in Deutschland.

 

„Es geht nicht nur um die Zukunft unserer Branche, sondern um die Wettbewerbsfähigkeit aller Wertschöpfungsketten rund um den Stahl“

Uwe Reinecke, General Manager Feralpi Stahl, erklärt in seinem Statement zum Spitzengespräch der mittelständischen Stahlindustrie:

„Unser Werk in Riesa verbraucht in etwa so viel Strom wie alle Haushalte der Stadt Dresden jährlich.

 

Als Familienunternehmen investiert die Feralpi Group über 220 Millionen Euro in die Modernisierung unseres Werkes in Riesa – aus Eigenmitteln, fast ohne Subventionen. Unser Hauptproblem bleiben jedoch die sehr hohen Strompreise in Deutschland – eindeutig ein Nachteil für uns im europäischen Vergleich. Deshalb benötigen wir die Strompreiskompensation über das Jahr 2030 hinaus.  Wir müssen den weiteren Abbau von Förderungen beenden, wie unlängst bei den Netzentgelten geschehen!

 

Es geht nicht nur um die Zukunft unserer Branche, sondern um die Wettbewerbsfähigkeit aller Wertschöpfungsketten rund um den Stahl – die Stahlbranche ist eine tragende Säule der deutschen Industrie! Ansonsten öffnen wir weiterhin Stahl-Importen aus Ländern, die nicht immer im Sinne eines fairen Wettbewerbs agieren, und viel weniger nachhaltig produzieren, Tür und Tor.“

 

Was die mittelständischen Stahlunternehmen jetzt brauchen

Die Wirtschaftsvereinigung Stahl veröffentlichte in dem Zusammenhang ein Positionspapier mit dem Titel „Dringend notwendige Rahmenbedingungen für Transformation und Wettbewerbsfähigkeit – zum Erhalt der mittelständischen Stahlindustrie in Deutschland“.

Das Positionspapier der Wirtschaftsvereinigung Stahl wurde bei dem Spitzengespräch vorgelegt. Es verstärkt die in der Januar-Resolution der Stahlallianz genannten Handlungsfelder und formuliert die derzeit dringendsten politischen Maßnahmen, die notwendig sind, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit dieser Produktionsroute zu erhalten und ihre Transformation zu flankieren. In der Resolution riefen die Länder der Stahlallianz die Bundesregierung dazu auf, auf faire Wettbewerbsbedingungen für die heimische Stahlindustrie hinzuwirken.

Der Stahlallianz gehören die elf Bundesländer mit Stahlstandorten an: Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Die Wirtschaftsvereinigung Stahl fordert in ihrem Positionspapier konkret:

1. Unverzüglich für wettbewerbsfähige Stromkosten sorgen

Die mittelständischen Stahlhersteller brauchen akut Entlastungen bei den Stromkosten – insbesondere bei den seit Jahresbeginn massiv gestiegenen Strom-Übertragungsnetzentgelten und zukünftigen Netzausbaukosten. Der ursprünglich vorgesehene staatliche Zuschuss zur Stabilisierung der Übertragungsnetzentgelte sollte wieder eingeführt werden, die CO2-Strompreiskompensation verstetigt und die der Stromsteuersenkung entfristet werden.

2. Zugang zu grünem Strom sichern

Die Transformationsbemühungen der EAF-Route müssen durch den raschen und flächendeckenden Ausbau der erneuerbaren Energien inklusive der erforderlichen Netzinfrastrukturen unterstützt, und damit die Verfügbarkeit von günstigem Strom langfristig sichergestellt werden. Der Abschluss von PPAs zur Eigenversorgung mit grünem Strom sollte für Industrieunternehmen durch förderliche staatliche Rahmenbedingungen erleichtert werden, um ein wettbewerbsfähiges Preisniveau zu erreichen.

3. Passgenaue staatliche Anschubförderung ermöglichen

Die staatliche Förderlandschaft unterstützt gegenwärtig nicht die transformativen Herausforderungen, denen sich die Elektrostahlindustrie und der industrielle Mittelstand gegenübersehen. Zwar stehen mit der Bundesförderung Industrie und Klimaschutz (BIK), den Klimaschutzverträgen, sowie dem Programm Energie- und Ressourceneffizienz prinzipiell Programme zur Verfügung. Diese erweisen sich aber in der Praxis für diese Zielgruppe aus verschiedenen Gründen als nicht anwendbar: Weil die Zugangsvoraussetzungen zu restriktiv sind, weil der Bürokratieauf-wand mit Blick auf Nachweisführung und Monitoring zu hoch ist, hohe Kapitalkosten vorfinanziert werden müssen oder auch weil Teiltransformationen nicht abgebildet werden können. Die bestehende Förderarchitektur muss deshalb grundlegend und zeitnah wirkend „mittelstandsgerecht“ überarbeitet werden.

4. Wasserstoffinfrastruktur bereitstellen

Auch die Transformation der Elektrostahlroute zur Klimaneutralität ist auf die Versorgung mit klimaneutralem, preislich wettbewerbsfähigem Wasserstoff angewiesen. Um die entsprechend notwendigen Investitionsvorhaben auch umsetzen zu können, ist jedoch eine rasche Anbindung auch des industriellen Mittelstandes an die Wasserstoff-Infrastruktur notwendig. Solange dies nicht erfolgt, gibt es für die Unternehmen keine Alternative zum Erdgas, mit der Folge zuneh-mender Kostenbelastungen durch eine steigende CO2-Bepreisung – und damit einem weiteren Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit.

5. Ausreichende Verfügbarkeit von Stahlschrott sicherstellen

Damit die EAF-Route ihren vollen Beitrag zur Erreichung der Klimaneutralität leisten kann, muss schließlich auch die Verfügbarkeit von Stahlschrott in der erforderlichen Qualität und Menge abgesichert werden. Denn die Nachfrage nach Schrott steigt enorm an und Engpässe zeichnen sich bereits heute ab. Besonderer Handlungsbedarf besteht vor allem deshalb, weil die Dekarbo-nisierungsbemühungen der Branche insgesamt massiv ansteigen – nicht nur in Deutschland und der EU, sondern weltweit.

 

Mehr Informationen

Die Vision der Stahlindustrie in Deutschland ist es, so schnell wie möglich, spätestens im Jahr 2045, klimaneutralen Stahl zu produzieren. Auf diese Weise kann die Stahlindustrie, auf die heute rund ein Drittel der industriellen Emissionen Deutschlands entfällt, entscheidend zum Erreichen der Klimaziele beitragen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit des Landes erhalten. Wesentlicher Teil dieser Vision ist, den Stahlstandort Deutschland in seiner Vielfalt und Breite zu erhalten – wettbewerbsfähige Stromkosten sind dafür der unentbehrliche Schlüssel.

saarland.de/dld_stahlallianz_24.pdf

stahl-online.de/PosPap_Dekarbonisierung_Stahl_Mittelstand.pdf

 

(Quelle: WV Stahl, Sächsische Staatskanzlei, Feralpi Stahl/2024)

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