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Flüssigmetalle heizen die industrielle Defossilisierung an

Das Karlsruher Institut für Technologie meldet einen Durchbruch bei der Wärmespeicherung. Der am KIT entwickelte, weltweit erste Hochtemperatur-Wärmespeicher, hat Potenzial für die Defossilisierung der Industrie.

von | 15.05.24

Wärmespeicher im Labormaßstab: Auf dem Foto sind die Keramikkügelchen zu sehen, welche die Wärme speichern; © KALLA, KIT
© KALLA, KIT
Wärmespeicher im Labormaßstab: Auf dem Foto sind die Keramikkügelchen zu sehen, welche die Wärme speichern

Mai 2024 | Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) meldet einen Durchbruch bei der Wärmespeicherung. Der am KIT entwickelte, weltweit erste Hochtemperatur-Wärmespeicher, hat Potenzial für die Defossilisierung der Industrie.

Ob Stahl-, Beton- oder Glasherstellung: Die industrielle Produktion verbraucht mehr als 20 Prozent des gesamten Energiebedarfs in Deutschland. Dafür werden bisher noch zu 90 Prozent fossile Quellen genutzt. Mit dem Ziel, in diesen Prozessen erneuerbare Energien besser einzusetzen, arbeiten Forscher und Forscherinnen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) an einem weltweit einzigartigen Hochtemperatur-Wärmespeicher mit Flüssigmetalltechnologie.

Die extrem leitfähigen Flüssigmetalle könnten mithilfe von grünem Strom auf über 700 Grad Celsius erhitzt werden und Industriewärme flexibel speichern. Vom 22. bis 26. April 2024 stellen die Forschenden eine Nachbildung ihres Energiespeichers am Stand des KIT bei den Energy Solutions (Halle 13, Stand C76) auf der Hannover Messe vor.

Weltweit werden derzeit Hochtemperatur-Wärmespeicher entwickelt, um Unternehmen, die ressourcenintensiv produzieren, Wärme unabhängig von den Schwankungen bei der Energie aus erneuerbaren Quellen bereitzustellen. Für diese Speicher wird Strom zunächst in Wärme umgewandelt und gespeichert. Genutzt wird die Wärme anschließend nach Bedarf, zum Beispiel, wenn der Strom teurer ist und Herstellungsprozesse weiterlaufen müssen. Für viele Unternehmen gilt dabei das Prinzip: Je höher die gespeicherte Temperatur, desto besser – denn so lässt sich die Menge an zusätzlicher Energie verringern, die benötigt würde, um die gewünschte Produktionstemperatur zu erreichen.

In Pilotanlagen werden beispielsweise Flüssigsalze genutzt, die Temperaturen von rund 550 Grad Celsius speichern können. Um noch höhere Temperaturen zu erreichen, kommen bislang Gase zum Einsatz: Mit Strom bis auf rund 700 Grad Celsius aufgeheizt, transportieren sie ihre Wärme zu einem Speichermaterial wie Stahl, Vulkanstein oder Schlacke.

„Das heiße Gas gibt die Wärme jedoch nicht besonders effizient an das Speichermaterial ab“, sagt Dr. Klarissa Niedermeier vom Institut für Thermische Energietechnik und Sicherheit des KIT.

Flüssigmetalle transportieren Wärme hervorragend

Mit ihrem Team arbeitet sie an einer neuartigen Lösung für den hohen Temperaturbereich: einem Wärmespeicher, in dem Blei-Bismut eingesetzt wird.

„Die Wärmeleitfähigkeit dieser Flüssigmetallmischung ist bis zu 100-mal höher als die anderer Wärmeträger, die für Speicher eingesetzt werden“, so Niedermeier.

Der Hochtemperatur-Wärmespeicher wird in einem Kreislauf getestet: In einem Stahltank sickert das aufgeheizte Blei-Bismut zwischen etwa zwei Millimeter kleinen Keramikkügelchen hindurch, an die es die Hitze abgibt. Wird die Wärme wieder benötigt, wird das dann „kalte“ Flüssigmetall erneut durch die Kügelchen geführt und heizt sich an ihnen auf.

In Simulationen am Flüssigmetalllabor KALLA des KIT haben Niedermeier und ihr Team gezeigt: Die Nutzung von Flüssigmetall kann das Laden und Entladen des Speichers effizienter machen, insbesondere, wenn eine sehr kompakte Schüttung verwendet wird.

Effiziente Lösung, um Ökostrom-Überproduktion zu speichern

„Wenn das Flüssigmetall mit Strom aus erneuerbaren Energien erhitzt wird, haben die Firmen eine effiziente Lösung, um die Fluktuationen des Stromangebots aus erneuerbaren Quellen abzufedern und die saubere Energie einfach, kostengünstig, schnell und zu Temperaturen zu speichern, die so nah wie möglich an denen der Industrieprozesse sind“, so die Forscherin.

Das Verfahren habe ein riesiges Potenzial für die Defossilisierung der Industrie. Denn derzeit werden in Deutschland 400 Terawattstunden Wärmemenge im Jahr durch Industrieprozesse erzeugt, 90 Prozent davon mit fossilen Energiequellen.

Dass Flüssigmetalle bisher kaum für den Einsatz in Wärmespeichern in Erwägung gezogen wurden, hat laut Niedermeier vor allem logistische Gründe: Weltweit gebe es nur wenige Kreisläufe, um solche Speichermethoden zu testen. Das KALLA-Labor am KIT verfügt über einen großen Kreislauf mit Blei-Bismut, der unter anderem für neue Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien genutzt wird.

Über das Karlsruher Flüssigmetalllabor (KArlsruhe Liquid Metal LAboratory, KALLA)

Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 22 800 Studenten und Studentinnen bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen.

Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.

Weitere Informationen: kit.edu/kit/energiespeicherung-heiss-ist-die-hoffnung.php

(Quelle: KIT/2024)

Bildquelle, falls nicht im Bild oben angegeben:

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