Generic filters
Exact matches only
FS Logoi

Verbrennungsmotor versus Elektroantrieb: Ein Jahrhundertduell

Das Duell zwischen dem Verbrennungsmotor und dem Elektroantrieb ist mehr als ein Jahrhundert alt und eine faszinierende Geschichte technologischen Fortschritts, wirtschaftlicher Interessen und gesellschaftlicher Veränderungen. Während die frühen Entwicklungen oft übersehen werden, prägen sie bis heute die Debatte um die Zukunft der Mobilität.

von | 12.11.24

(Bildquelle: Adobe Stock)
(Bildquelle: Adobe Stock)

Im späten 19. Jahrhundert begann die Geschichte der Elektromobilität. 1898 entwickelte Ferdinand Porsche mit dem „Egger-Lohner C.2 Phaeton“ ein reines Elektrofahrzeug, das als “P1” bekannt wurde. Es erreichte eine Spitzengeschwindigkeit von 25 km/h und eine Reichweite von 80 km – beeindruckende Werte für diese Zeit. Schon 1899 entstand der „Lohner-Porsche Semper Vivus“, ein Elektroauto mit einem Radnabenmotor, das in Paris auf der Weltausstellung ausgezeichnet wurde. Porsche und Lohner erkannten bereits damals die Vorteile elektrischer Antriebe: reduzierte Geräuschbelastung und saubere Luft.

Diese Fahrzeuge standen jedoch vor großen Herausforderungen: Hohe Anschaffungskosten, eine unzureichende Ladeinfrastruktur und die damals geringe Batteriekapazität machten Elektromobilität im Alltag schwer umsetzbar. Der Rekordwagen „La Jamais Contente“ von Camille Jenatzky setzte 1899 dennoch ein Zeichen, indem er als erstes Fahrzeug eine Geschwindigkeit von über 100 km/h erreichte – ein Meilenstein, der die Leistungsfähigkeit elektrischer Fahrzeuge demonstrierte.

Der Siegeszug des Verbrennungsmotors und das Ende der ersten Elektrofahrzeuge

Die Entwicklung des Verbrennungsmotors ab 1886 veränderte die Automobilwelt nachhaltig. Carl Benz stellte mit seinem Benz-Patent-Motorwagen das erste Benzinauto vor. Der Erfolg des Verbrennungsmotors war auf seine Leistung und die Verfügbarkeit von Benzin zurückzuführen. Die Erfindung des elektrischen Anlassers machte den Betrieb einfacher, und die Preise für Benzin waren im Vergleich zu Strom damals niedrig. In den 1920er Jahren dominierten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor den Markt, während Elektroautos ins Hintertreffen gerieten.

Wiederbelebung der Elektromobilität: Umwelt und Technologie im Fokus

Nach Jahrzehnten im Schatten begann in den 1990er Jahren eine Renaissance der Elektromobilität. Grund hierfür waren Fortschritte in der Batterieentwicklung und strenge Umweltauflagen, die die Automobilindustrie zwangen, ihre CO₂-Emissionen zu reduzieren. Die Einführung der Lithium-Ionen-Batterien war ein technischer Durchbruch, der Elektrofahrzeugen eine realistische Chance auf Marktfähigkeit ermöglichte.

Vor allem der Toyota Prius, der als erster kommerziell erfolgreicher Hybridwagen gilt, trug zum neuen Interesse an Elektroantrieben bei. In dieser Phase wurde auch die Infrastruktur für Ladestationen langsam ausgebaut, und Förderprogramme zur Unterstützung von Elektroautos wurden von verschiedenen Regierungen ins Leben gerufen.

Die heutige Situation: Elektromobilität als Zukunftstechnologie?

Heute steht die Elektromobilität im Zentrum der politischen und industriellen Bemühungen um eine nachhaltige Verkehrswende. In Deutschland sind etwa 10 % der zugelassenen Pkw Elektrofahrzeuge, und die Zahl der öffentlichen Ladestationen nimmt zu. Dennoch bleibt der Weg steinig. Trotz Fortschritten ist die Reichweite vieler E-Autos im Vergleich zu Verbrennern eingeschränkt, und die Infrastruktur für Schnelllade-Stationen reicht nicht aus, um den steigenden Bedarf zu decken.

Zudem erschweren hohe Strompreise und die Beendigung staatlicher Förderungen den Umstieg für viele Konsumenten. Ein weiteres Problem sind die Produktionskosten von Elektroautos, die durch die komplexe und teure Batterietechnologie steigen. Die hohen Anschaffungskosten schrecken viele potenzielle Käufer ab, und die Preise für Strom und Rohstoffe setzen zusätzliche Hürden.

Politische und gesellschaftliche Herausforderungen

Politische Maßnahmen sollen einerseits den Übergang zur Elektromobilität beschleunigen, andererseits sehen sich Autofahrer mit hohen Kosten konfrontiert. Die Preise für Parkplätze in Innenstädten steigen, und neue Regelungen sollen den Verkehr in den Städten reduzieren. Gleichzeitig wächst der Widerstand gegen Verbote von Verbrennungsmotoren ab 2035 in Europa. In Deutschland und anderen Ländern wird die politische Debatte von Stimmen begleitet, die ein stufenweises Vorgehen und alternative Kraftstoffe wie den synthetischen Diesel HVO 100 fordern.

Auch das Angebot an Carsharing-Fahrzeugen in Deutschland ist noch immer gering, und die deutsche Bevölkerung ist nach wie vor stark auf den privaten Pkw angewiesen. Bei einer durchschnittlichen Pendelstrecke von 10 bis 50 Kilometern bleibt das eigene Fahrzeug oft die praktischste Lösung.

Marktkonkurrenz aus China: Ein neues Kapitel im globalen Wettbewerb

China ist derzeit der größte Hersteller und Exporteur von Elektrofahrzeugen und geht mit Unternehmen wie BYD verstärkt auf den europäischen Markt. Der chinesische Konzern BYD ist eine treibende Kraft und hat bereits Kooperationen mit europäischen Unternehmen wie Sixt geschlossen. Während Deutschland traditionell als „Autoland“ bekannt ist, stehen seine Hersteller vor enormen Herausforderungen. Die Abhängigkeit der deutschen Automobilindustrie vom chinesischen Markt ist signifikant – etwa 39 % der weltweit verkauften Volkswagen und rund ein Drittel aller Fahrzeuge von Mercedes-Benz und BMW gehen nach China.

Mit den geplanten Importzöllen auf chinesische Elektroautos will die EU auf Drängen Frankreichs die heimische Industrie schützen. Dieser Schritt birgt jedoch auch Risiken: Eine solche Handelsbarriere könnte zu Spannungen mit China führen und deutsche Autohersteller treffen, die auf den chinesischen Markt angewiesen sind.

Ein Ausblick auf die Zukunft: E-Mobilität und Verbrenner in der Koexistenz?

Trotz der Dominanz des Verbrennungsmotors und des Wettbewerbsdrucks durch Elektromobilität ist eine vollständige Elektrifizierung der Fahrzeugflotten weltweit noch nicht absehbar. Die Infrastruktur für Elektrofahrzeuge ist in vielen Ländern unzureichend, und in ländlichen Regionen bleiben Verbrenner eine notwendige Alternative. Zudem sind in sehr vielen Ländern die Stromquellen noch immer fossil, sodass Elektroautos zwar die städtische Luftqualität verbessern, aber wenig zur Reduktion des globalen CO₂-Ausstoßes beitragen.

Mit der Weiterentwicklung und sinkenden Kosten von Batterien könnten Elektroautos jedoch attraktiver werden. So bleibt zu hoffen, dass Deutschland sich als wettbewerbsfähiger Standort für Elektrofahrzeuge und als Vorreiter im Bereich nachhaltiger Mobilität positioniert.

Schlussfolgerung

In der über 100-jährigen Geschichte des Wettstreits zwischen Elektro- und Verbrennungsmotoren hat sich die Technologie entscheidend weiterentwickelt. Dennoch sind noch immer wirtschaftliche und technische Hürden zu überwinden, um eine flächendeckende Elektrifizierung der Mobilität zu ermöglichen. Während Elektroautos emissionsarm, geräuscharm und zukunftsweisend sind, bleiben Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor für viele Regionen und Situationen unverzichtbar. In Anbetracht globaler Anforderungen an Mobilität wird eine gemischte Flotte aus Elektro- und Verbrennerfahrzeugen wohl noch über Jahrzehnte Bestand haben. Der Weg zur Klimaneutralität in der Mobilität bleibt herausfordernd.

 

Dieser Text basiert auf dem Vortrag von Uwe Schmelzing, Technischer Direktor Aalberts Surface Technologies GmbH, bei der HärtereiPraxis 2024.
Quellen:
fahrtraum.at
demostalgiker.at
CAR-Center
Wirtschaftsdienst.eu
Statistisches Bundesamt 2022
Allianz pro Schiene
Bundesverband CarSharing
VDA
Statistisches Bundesamt 2024
greengear.de
OICA
VW
Statista
Automobilwoche
Umweltbundesamt
Kraftfahrt-Bundesamt 01/2024
ADAC e.V 04/2024
Civey
Handelsblatt
Bundesnetzagentur
Incoming-mobility.com
LCA-Tool
Ifo Institut München
Kraftfahrtbundesamt
WirtschaftsWoche Mai 2024
Automobilwoche 10/2024
EnBW
EV Volumes Technica
CAM
Stepmap.de
Kraftfahrtbundesamt
Focus

Jetzt Newsletter abonnieren

Die ganze Welt der Metallurgie, immer in Ihrem Postfach.

Hier anmelden

Fachinformationen für Sie

Entwicklung der Gasaufkohlungstechnik der letzten zwei Jahrzehnte

Entwicklung der Gasaufkohlungstechnik der letzten zwei Jahrzehnte

Autor: Friedhelm Kühn
Themenbereich: Thermoprozesstechnik

Großhärtereien der Automobilindustrie und Lohnhärtereien sind gezwungen, die Arbeitsplätze zu humanisieren und Wärmebehandlungsanlagen mit hohem Automatisierungsgrad und Flexibilisierungsgrad sowie hoher Energieeffizienz bei geringem ...

Zum Produkt

Wasserstoff-Messung bei Aufkohlungsprozessen

Wasserstoff-Messung bei Aufkohlungsprozessen

Autor: Stefan Heineck/Frank Theisen
Themenbereich: Thermoprozesstechnik

Sensor gestützte Prozessführung ist aufgrund moderner Qualitätssicherung sowie ständig wachsender Qualitätsanforderungen unerlässlich. Diese ist gerade in Europa weit verbreitet und trägt zur Standortsicherung auf dem globalen Markt bei. Der ...

Zum Produkt

Elektromagnetisch-thermische Feldsimulation für das induktive Härten von Kettengliedern

Elektromagnetisch-thermische Feldsimulation für das induktive Härten von Kettengliedern

Autor: Stefan Dappen / Michael Dawidowicz / Gerhard Reese
Themenbereich:

Komplexe Bauteile und aufwendige Prototypen erfordern besonderes Engineering. Der vorliegende Artikel stellt zunächst eine allgemeine Übersicht der Verfahrensmöglichkeiten dar, die man beim Induktionshärten anwenden kann und geht anschließend ...

Zum Produkt