Generic filters
Exact matches only
FS Logoi

Thermalspeicher: Baustein für die Dekarbonisierung industrieller Prozesswärme

Die Zukunft der Industrie steht im Zeichen der Dekarbonisierung. Doch Prozesswärme und -dampf bleiben in dieser Hinsicht eine Herausforderung und werden in der öffentlichen Debatte vernachlässigt. Dabei bergen sie noch erhebliche Einsparpotenziale. Moderne thermische Speicherlösungen, wie die ThermalBattery von EnergyNest, bieten schon heute eine nachhaltige, zuverlässige und kosteneffiziente Methode zur Dampf- und Wärmeproduktion und unterstützen Unternehmen bei der Erreichung ihrer Klimaziele. 

von | 12.09.24

Bild 2: Blick auf einen Teil des CST-Systems, an das die ThermalBattery von EnergyNest in Turnhout, Belgien, angeschlossen ist (Quelle: EnergyNest)
Bild 2: Blick auf einen Teil des CST-Systems, an das die ThermalBattery von EnergyNest in Turnhout, Belgien, angeschlossen ist (Quelle: EnergyNest)

In der öffentlichen Debatte rund um die Energiewende wird die Herausforderung der industriellen Prozesswärme bisher häufig übersehen. Dabei verbrauchen energieintensive Industriesektoren wie Stahl, Chemie, Textilien, Lebensmittel und die Papierindustrie in Europa rund 1.860 TWh Energie pro Jahr für die Produktion von Prozesswärme [1].

Bild 1: Unverkleidete ThermalBattery aus Karbonstahl und dem Spezialbeton „Heatcrete“ (Quelle: EnergyNest)

Bild 1: Unverkleidete ThermalBattery aus Karbonstahl und dem Spezialbeton „Heatcrete“ (Quelle: EnergyNest)

In Deutschland entfallen zwei Drittel der im Industriesektor benötigten Energie bzw. ein Fünftel des gesamten Endenergieverbrauchs auf die Bereitstellung von Prozesswärme. Prozesswärme ist damit das mit Abstand energieintensivste Anwendungsfeld in der Industrie.

Doch während der Ausbau erneuerbarer Energien insbesondere im Stromsektor deutliche Fortschritte macht, stammen rund 70 % der industriellen Wärme in Deutschland weiterhin aus fossilen Energiequellen wie Erdgas. Erneuerbare Energien werden hier lediglich vereinzelt genutzt. Dies hat zur Folge, dass die Produktion industrieller Prozesswärme für rund 75 % der Treibhausgas-Emissionen der Industrie verantwortlich ist. Studien wie jüngst vom Fraunhofer-Institut und der RWTH Aachen zeigen derweil, dass die Umstellung auf eine klimaneutrale Prozesswärmeerzeugung bis zum Jahr 2045 technisch eigentlich möglich wäre [2]. Dementsprechend bieten Prozesswärme bzw. Prozessdampf also noch enorme Einsparpotenziale und damit auch einen wesentlichen Hebel zur Reduktion von CO2-Emissionen und zur Verwirklichung der Klimaneutralität Deutschlands bis 2045.

Zuletzt war einem Gutachten des Expertenrats für Klimafragen der Bundesregierung zu entnehmen, dass die Klimaziele für Deutschland bis 2030, die eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um 65 % vorsehen – anders als vom Bundeswirtschaftsministerium prognostiziert – nicht erreicht werden [3]. So seien in den Projektionen des Umweltbundesamts unter anderem auch die zu erwartenden Treibhausgas-Emissionen in der Industrie unterschätzt worden, da diese zuletzt aufgrund der Wirtschaftsschwäche weniger CO2 erzeugt hatte. Das erhöht das Risiko einer überhasteten politischen Neujustierung, wie es auch das novellierte Klimaschutzgesetz bei einer mehrjährigen Verfehlung der Klimaziele vorschreibt.

Unternehmen brauchen jedoch Planungssicherheit, gerade in geopolitisch unruhigen Zeiten. Die Energiekosten sind derzeit aber bereits ein absolutes Schmerzthema für die deutsche Wirtschaft. Denn fossile Brennstoffe zur Energie- und Wärmeerzeugung in Deutschland sind vergleichsweise teuer – und die Kostenentwicklung ungewiss. Insbesondere die Entwicklung der CO2-Preise stellt sowohl für energieintensive Unternehmen, die bereits unter das EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) fallen als auch für solche, die ab 2027 in das EU-ETS überführt werden, eine erhebliche Herausforderung dar. Aktuell kostet eine Tonne CO2 in Deutschland 45 Euro. Bis 2026 wird der Preis schrittweise auf bis zu 65 Euro steigen, bevor ab 2027 der nationale CO2-Preis in das europäisches Emissionshandelssystem überführt wird. Diese Veränderung bedeutet, dass der CO2-Preis dann durch den Handel mit Zertifikaten am Markt gebildet wird, was zu starken Schwankungen führen kann. Für Unternehmen, die bereits im EU-ETS sind, wie große Industrieanlagen und Energieerzeuger, hat sich zudem gezeigt, dass der CO2-Preis in den letzten Jahren volatil war und im ersten Quartal 2023 erstmals die 100-Euro-Marke überschritten hat. Die Verknappung der Emissionsrechte wird voraussichtlich zu weiter steigenden Preisen führen; Marktanalysten rechnen mit einem Preis von rund 200 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2035 [4]. Dadurch entsteht ein erhebliches Preisrisiko für Unternehmen, die in ihrer Produktion derzeit auf den Einsatz von fossilen Energieträgern angewiesen sind.

Daher müssen nun Technologien skaliert werden, die dabei helfen, so rasch wie möglich eine Netto-Null-Energieerzeugung zu erreichen, ohne dabei Produktionskosten unverhältnismäßig in die Höhe zu treiben, und im Idealfall den Gesamtverbrauch zu senken. Hier setzen thermische Speicherlösungen an, die einen wesentlichen Beitrag dazu leisten können, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren und die Integration erneuerbarer Energien in der Industrie entscheidend voranzutreiben. Als Drop-in-Lösungen bieten sie den besonderen Vorteil, dass sie sich leicht in bestehende industrielle Prozesse integrieren lassen [5]. Speichersysteme für Prozesswärme sind somit eine Lösung, um die Produktion zu flexibilisieren und von Preisrisiken zu entkoppeln.

Enormes Potenzial für die Dekarbonisierung industrieller Wärme

Energiespeicherung ist ein zentraler Aspekt der Energiewende. Die Realität ist nämlich weiterhin, dass Biomasse endlich ist, Geothermie nur in kleinen Teilen Europas wirtschaftlich zur Verfügung steht und der Wirkungsgrad von Wasserstoff aus Strom zur Wärmeerzeugung momentan bestenfalls bei etwa 50 % liegt. Zudem dürfte grüner Wasserstoff erst zu spät flächendeckend verfügbar sein und bleibt absehbar zu kostbar, um ihn in Grundlast zu verbrennen. Zukunftsfähige grüne Lösungen zur Energiespeicherung hingegen stehen heute schon zur Verfügung.

Dabei sollten thermische Speicherlösungen nicht nur im Zusammenhang mit der Erreichung von Klimaschutzzielen betrachtet werden. Denn auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht bieten sie große Potenziale. Durch die Dekarbonisierung kann sich die deutsche Industrie insgesamt resilienter und wettbewerbsfähiger aufstellen, indem sie die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern reduziert und somit geopolitische Risiken minimiert. Durch die Implementierung von Speicherlösungen können vergleichsweise günstige und dezentrale erneuerbare Energien integriert, schwankende Strompreise ausgenutzt, und Versorgungs- und Kostensicherheit langfristig gewährleistet werden.

Hier setzen die flexiblen und kosteneffizienten thermischen Energiespeichersysteme von EnergyNest an. Die Thermalbattery von EnergyNest ist ein Langzeitspeicher für Wärme, der aus Karbonstahl und dem eigens in Zusammenarbeit mit Heidelberg Materials entwickelten Spezialbeton Heatcrete besteht. Das Besondere daran ist, dass damit für die Konstruktion des Speichers nur Rohstoffe benötigt werden, die in fast jeder Geografie weithin verfügbar und recyclebar sind. Das ermöglicht günstige Produktkosten und reduziert Beschaffungsrisiken. Beim Design wurde zudem auf bewegliche Teile verzichtet, womit der Speicher relativ wartungsarm ist. Dies ermöglicht eine hohe Lebensdauer zwischen 30 und 50 Jahren, je nach Wärmeträgerflüssigkeit; ohne Leistungsverlust.

Ein ThermalBattery-Modul hat eine maximale Speicherkapazität von 1-2 MWh; abhängig von der Temperaturdifferenz während des Betriebs, der Energiedichte und den Lade- und Entladegrößen. Ein Modul wiegt 47 t und hat die Größe eines normalen 20-Fuß-Schiffscontainers, was den Transport und die Installation deutlich vereinfacht. Diese einzelnen Module können dann kombiniert und flexibel an den jeweiligen Speicherbedarf angepasst werden. In einer klassischen mittelständischen Produktionsanlage kann so beispielsweise eine Speicherkapazität zwischen 8-100 MWh bereitgestellt werden. Als leicht skalierbares Speichersystem kann die ThermalBattery auch jederzeit nach Bedarf erweitert werden. Das ermöglicht eine individuelle und effiziente Wärmeversorgung, die optimal auf die spezifischen Anforderungen des jeweiligen Produktionsstandortes zugeschnitten ist.

Bild 3: Wärmespeicher im Einsatz im Werk von Yara in Porsgrunn, Norwegen (Quelle: EnergyNest)

Bild 3: Wärmespeicher im Einsatz im Werk von Yara in Porsgrunn, Norwegen (Quelle: EnergyNest)

Der Speicher nutzt als Ein- und Ausspeichermedium entweder Dampf beziehungsweise Wasser oder Thermalöl. Für die anvisierten Anwendungen im Temperaturbereich der ThermalBattery sind diese Medien am zweckmäßigsten. Denn sinnvollerweise werden diese Medien direkt für die weitere Wärmeverwendung in der Produktion bereitgestellt. Bei der direkten Speicherung mittels Dampfs beziehungsweise Wasser als Wärmeträgermedium liegt auch das Alleinstellungsmerkmal gegenüber Wettbewerbern. Über E-Heizer beziehungsweise E-Boiler kann zudem grüner Strom in Wärme umgewandelt werden. Wichtig ist letztlich nur, dass am Ende wieder Wärme benötigt und verbraucht wird.

Die Aufladung der Wärmebatterie erfolgt durch die direkte Durchströmung von heißer Wärmeträgerflüssigkeit durch eingebettete Stahlrohre von oben nach unten, wodurch Wärmeenergie auf das Kernspeichermaterial übertragen wird. Im Entladebetrieb kehrt sich der Fluss um: Kalte Wärmeträgerflüssigkeit wird unten eingespeist und verlässt die Batterie anschließend erhitzt, um Energie von der Oberseite der ThermalBattery abzugeben. Dieses Prinzip funktioniert ebenso effizient mit Wasser und Dampf. Somit dient der Wärmespeicher beim Laden als Dampfkühler und Kondensator, während er im Entladen als Kessel und Überhitzer fungiert.

Als Langzeitspeicher unterstützt die ThermalBattery flexible Energiezyklen. Sie wird etwa drei bis vier Stunden lang aufgeladen und immer in der gleichen Zeit entladen. In der Regel sind für Anwendungen ein bis zwei Lade- und Entladevorgänge pro Tag vorgesehen. Das Energiespeichersystem ist mit einem energetischen Wirkungsgrad von bis zu 98 % hochgradig effizient. Mit einem Ladezyklus pro Tag, der Erdgas ersetzt, amortisieren sich die CO2-Emissionen aus der Produktion des Speichersystems somit in etwa zwei Monaten; abhängig von der Projektgröße.

Der optimale Wirkungsbereich der ThermalBattery liegt zwischen 120 und 400 °C. Der Druckbereich bewegt sich von 5-9 bar im Output, manchmal bis zu 40 bar im Input. Der Speicher kann dabei auf verschiedene Anwendungen individuell angepasst werden, wodurch sich vielfältige Konfigurationen und Einsatzgebiete in einem industriellen Kontext erschließen, beispielsweise in der Papierherstellung, Lebensmittelproduktion, Chemie, aber auch in der Landwirtschaft. So können Wärmespeicher unter anderem bei der Abwärmerückgewinnung oder der Erzeugung von Wärme aus erneuerbaren Energien für Trocknungsprozesse oder Sterilisations- und Desinfektionsverfahren zum Einsatz kommen.

Vollständige Integration erneuerbarer Energien

Angesichts der begrenzten Verfügbarkeit und geringen Wirkungsgrade anderer erneuerbarer Energien wie Biomasse oder Wasserstoff, genießt der Ausbau von Solarenergie und Windkraft zurecht Priorität. Doch gerade die viel zitierte „Dunkelflaute“ macht Speicher für die Energiewende zu einer absoluten Notwendigkeit. Hier kommen Lösungen wie die ThermalBattery ins Spiel, die bereits heute eine nachhaltige und praktikable Option darstellen.

Die natürliche Fluktuation in der Verfügbarkeit erneuerbarer Energien wird durch die Speichermöglichkeiten der ThermalBattery überbrückt. Nicht unmittelbar benötigte Energie kann für die Wärme- oder Dampferzeugung in der Nacht oder bei sonstigen Bedarfsspitzen gespeichert werden, was eine vollständige Integration erneuerbarer Energien in verschiedenste Industrieprozesse ermöglicht. Ebenso bietet die ThermalBattery Unternehmen so die Möglichkeit, schwankende Strompreise auszunutzen. So wird der Bedarf an fossilen Energieträgern schlussendlich gänzlich oder zumindest in Teilprozessen mithilfe von thermischen Speichern eliminiert.

In diesem Zusammenhang ist zum Beispiel die konzentrierte Solarthermie (Concentrated Solar Thermal – CST) als eine vielversprechende Technologie zur kohlenstofffreien industriellen Prozesswärmeerzeugung zu nennen. Parabolspiegel erhitzen thermisches Öl, das mit minimalen Verlusten in der ThermalBattery gespeichert wird. Bei Bedarf kann die gespeicherte Energie in einen Dampfgenerator eingespeist werden, um auf Abruf Dampf zu erzeugen, der beispielsweise in Trockenprozessen Verwendung finden kann. Idealerweise kann die Elektrifizierung der Wärme- und Dampfproduktion den Bedarf an fossilen Energien für Teilprozesse gänzlich eliminieren. Doch ohne Speicherung ist die Produktion nur auf Tagzeiten begrenzt, auch wenn Dampf durchgängig benötigt wird. Thermische Speicher hingegen können überschüssige Energie für die Dampferzeugung bei Nacht speichern, was eine echte Dekarbonisierung ermöglicht.

EnergyNest hat diese Anwendung bei Avery Dennison, einem führenden Anbieter von Klebetechnologien, Display-Grafiken und Verpackungsmaterialien, umgesetzt. Avery Dennison wollte seine Wärmeerzeugung an seinem Produktionsstandort in Belgien von Erdgas auf erneuerbare Energien umstellen. Nun nutzt Avery Dennison Solarenergie, um einen Teil seiner Trocknungsöfen zu betreiben, die für den Beschichtungsprozess der am Standort hergestellten Haftklebeprodukte verwendet werden. Der Clou dabei ist die Integration verschiedener Energiesysteme: Der Solarthermie-Entwickler AZTEQ setzt 2.240 Parabolspiegel ein, um die Energie des direkten Sonnenlichts zu reflektieren und in einem mit Absorptionsflüssigkeit – in diesem Fall Thermoöl – gefüllten Kollektorrohr auf Temperaturen von 400 °C zu konzentrieren. Dieses Solarfeld mit einem Spitzenertrag von 2,7 GWh thermischer Energie wurde nun mit sechs thermischen Speichermodulen von EnergyNest mit einer Kapazität von 5 MWh thermischer Energie kombiniert. Wärmeenergie, die nicht nach Bedarf erzeugt wird, wird in der ThermalBattery bei 380 °C gespeichert und nachts oder bei anderen Nachfragespitzen als grüne Wärme bei 310 °C abgegeben. Die CST-Plattform kann so Tag und Nacht Hochtemperatur-Wärmeenergie auf Abruf bereitstellen und in den Sommermonaten und bei hoher Sonneneinstrahlung bis zu 100 % des Wärmebedarfs der Fabrik decken. Das Gesamtsystem reduziert die Treibhausgasemissionen des Werks so um durchschnittlich 9 % pro Jahr. Im September 2023 in Betrieb genommen, ist dies die derzeit größte Plattform für CST mit einem Wärmespeicher an einem Industriestandort in Europa.

Bei einem Papierhersteller beispielsweise kann der Einsatz von thermischen Speichern bei einer angenommenen Speichergröße von 8 MWth in Kombination mit einem Elektrodendampfkessel von 5 MWel ebenso zu signifikanten Einsparungen führen. In diesem Szenario könnte der Verbrauch nach Berechnungen von EnergyNest pro Jahr durchschnittlich um etwa 11 GWh Erdgas und 2.300 t CO2 gesenkt werden. Die Gesamtersparnis pro Jahr könnte so bis zu 1.3 Millionen Euro betragen, was zu einer Amortisierung der Anlage nach vier Jahren Betrieb führen würde.

Deutliche Verbesserung der Energieeffizienz

Neben der Elektrifizierung können thermische Speicher aber auch bisher ungenutzte Potenziale bei der Abwärme heben. Die Rückgewinnung von Überschusswärme und ihre Speicherung für die spätere erneute Nutzung als Primärenergie in einer Art Prozesswärme-Recycling verringert ebenfalls die Abhängigkeit von fossilen Energiequellen, spart Energiekosten und Emissionen. Viele Unternehmen arbeiten bereits jetzt mit Wärmerückgewinnungsanlagen. Thermalspeicher können diese sinnvoll ergänzen und eine flexible Steuerung des Wärmerecyclings ermöglichen.

Dieses Verfahren findet beispielsweise seit Januar 2023 bei Yara, einem der weltweit größten Düngemittelhersteller, im Industriepark Herøya im norwegischen Porsgrunn praktische Anwendung. Die Konfiguration besteht hier aus vier Modulen sowie einen 8,7 m³ Druckbehälter. Das Speichersystem hat eine Kapazität von ein bis fünf Tonnen pro Stunde (0,7-3,5 MW), wobei das System insgesamt fünf Tonnen (3,5 MWh) speichern kann. Diese dampfbasierten thermischen Speicher – die ersten ihrer Art im industriellen Einsatz – ermöglichen Yara somit, nicht bedarfsgerecht erzeugte Energie in Form von Dampf zurückzugewinnen und je nach Einsatzbedarf für verschiedene Prozesse der Anlagen wieder in das Dampfnetz einzuspeisen. Das Thermalspeichersystem wird mit Dampf bei 272 °C und 34 bar direkt aus dem Dampfsystem von Yara geladen und liefert bei kurzen zyklischen Bedarfsspitzen trockenen Dampf bei 189 °C und 5 bar in das Dampfsystem zurück. Diese Form des sogenannten Steam Grid Balancing sorgt dafür, dass weniger fossile Brennstoffe für die Erzeugung zusätzlichen Dampfs eingesetzt werden müssen und Fluktuationen in Produktion und Energieeinspeisung ausgeglichen werden können. In seinem ersten Betriebsjahr hat das System bereits über 4.000 Ladezyklen durchlaufen, wobei die erwartete Lebensdauer insgesamt 200.000 Stunden mit 462.000 Ladezyklen beträgt.

Gigantischer Bedarf, Schnelligkeit gefragt

Für die Umsetzung der ambitionierten Klimaschutzziele der Industrie braucht es jetzt eine Vielzahl unterschiedlicher Speicherlösungen. Thermische Speicher sind bereits kommerziell ausgereift und tragen ihren Teil zur Energiewende im Bereich der Prozesswärme bei. Speicherprojekte mit EnergyNest können in weniger als zwölf Monaten vom Erstgespräch bis zur Kommissionierung umgesetzt werden. Die Speicher sind dann 30 Jahre ohne Leistungsverluste in Betrieb, teils sogar deutlich länger. Der Bedarf an solchen und vergleichbaren Speichertechnologien ist auf dem Weg zu einer klimaneutralen Industrie gigantisch.

Für viele Anwendungsfelder thermischer Speicher bedarf es heute schon keiner neuen politischen Maßnahmen oder besonderen Förderungen mehr – schon gar nicht bei hohen Energiepreisen. Insbesondere weiter steigende CO2-Preise stellen einen Unsicherheitsfaktor und eine Herausforderung dar, die die Weitsicht der Entscheider in der Industrie bedarf. Es ist in der gegenwärtigen Situation essenziell, die Energieversorgung der Betriebe sicher aufzustellen, um die Produktion in Zukunft zu gewährleisten. Der Handlungsdruck für die Industrie ist enorm: Schnelle Implementierung und Skalierung von klimafreundlichen Technologien sind nun entscheidend. Die deutsche Industrie muss dafür ihre Zurückhaltung aufgeben, den Energiebezug vom Leidens- zum Lösungsthema machen und verschiedene Technologien zu einem nachhaltigen Versorgungsportfolio kombinieren.

Thermische Speicher können eine wichtige Rolle einnehmen, um die industrielle Wärmeversorgung zu sichern und zugleich ein Kernbestandteil klimaneutraler Produktionsprozesse zu werden. Sie sind nachhaltig und wirtschaftlich zugleich, schnell implementiert und skalierbar. Das macht thermische Speicher nicht nur zu Nachhaltigkeitsprojekten, sondern auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu einem echten Business Case.

Literatur
[1] Fraunhofer ISI: Direct electrification of industrial process heat. An assessment of technologies, potentials and future prospects for the EU. Study on behalf of Agora Industry. Berlin, 2024.
[2] Fleiter, T.; Rehfeldt, M.; Hirzel, S.; et. al.: CO2-neutrale Prozesswärmeerzeugung. Dessau-Roßlau: Umweltbundesamt, 2023.
[3] Expertenrat für Klimafragen: Gutachten zur Prüfung der Treibhausgas-Projektionsdaten 2024. Sondergutachten gemäß § 12 Abs. 4 Bundes-Klimaschutzgesetz. Berlin, 2024.
[4] BloombergNEF: EU ETS Market Outlook 1H 2024: Prices Valley Before Rally; 01.05.2024.
[5] Fraunhofer ISI: Direct electrification of industrial process heat. An assessment of technologies, potentials and future prospects for the EU. Study on behalf of Agora Industry. Berlin, 2024, S. 35.

Autor

Dr. Christian Thiel

Dr. Christian Thiel

Dr. Christian Thiel
EnergyNest GmbH
Hamburg, Deutschland
+49 15208805725
post@energy-nest.com

Jetzt Newsletter abonnieren

Die ganze Welt der Metallurgie, immer in Ihrem Postfach.

Hier anmelden

Fachinformationen für Sie

Industrie 4.0 – Prozesse und Ressourcen effizient managen

Industrie 4.0 – Prozesse und Ressourcen effizient managen

Vor dem Hintergrund der steigenden Rohstoffkosten rückt der effiziente Ressourceneinsatz immer mehr in den Fokus der Unternehmen. Das Management der kompletten Prozesskette von der Produktgestaltung über die Produktion und Logistik bis hin zu ...

Zum Produkt

Prozesswärme – 03 2019

Prozesswärme – 03 2019

Themenbereich: Thermoprozesstechnik

Die Ausgabe 3 der PROZESSWÄRME erscheint pünktlich zum Messequartett GIFA, METEC, THERMPROCESS und NEWCAST in Düsseldorf. Im großen Sonderteil erfahren Sie alles rund um die Messen mit besonderem Schwerpunkt auf GIFA und METEC – allgemeine ...

Zum Produkt

„GasQualitaetGlas“: Lokale Erdgasbeschaffenheiten und Auswirkungen auf industrielle Gasverbraucher (Teil 1)

„GasQualitaetGlas“: Lokale Erdgasbeschaffenheiten und Auswirkungen auf industrielle Gasverbraucher (Teil 1)

Autor: Jörg Leicher, Tim Schneider, Tim Nowakowski, Anne Giese, Klaus Görner, Bernhard Fleischmann, Nils-Holger Löber
Themenbereich: Thermoprozesstechnik

Der Erdgasmarkt durchläuft derzeit tiefgreifende Veränderungen, mit Auswirkungen nicht nur für die Gaswirtschaft, sondern auch für viele Endverbraucher. Ein Thema, das insbesondere für industrielle Endverbraucher immer mehr in den Fokus rückt, ...

Zum Produkt