Alle 3D-Druckverfahren zeichnen sich dadurch aus, dass die Bauteile schichtweise aufgebaut werden, ohne dass Formwerkzeuge oder Halbzeuge benötigt werden. Dies unterscheidet die Technologie grundlegend von traditionellen industriellen Produktionsmethoden wie CNC-Fräsen, CNC-Drehen, Umformen und Fügen. Der schichtweise Aufbau ermöglicht es, Bauteile direkt aus den 3D-CAD-Daten in einem Stück zu fertigen und bietet zudem eine hohe Gestaltungsfreiheit bei der Herstellung komplexer Geometrien. Gleichzeitig erfordert die Additive Fertigung, in industrieller Qualität, viel Prozessverständnis und Know-How, vor allem bei der Verarbeitung innovativer Metallwerkstoffe. Kupfer im speziellen gilt als schwer additiv verarbeitbar und hat den Markt erst in den letzten Jahren wirklich durchdrungen.
Die Protiq GmbH hat sich auf dem Feld der additiven Kupferverarbeitung seit über 10 Jahren einen
Namen gemacht. Als weltweit erstem Anbieter ist es Protiq 2013 gelungen eine elektrisch hochleitfähige Kupferlegierung mit 99 % Kupferanteil prozesssicher mithilfe des additiven Laserschmelzprozesses (SLM) zu verarbeiten. Dieser Erfolg basierte auf eine Jahrelangen hauseigenen Entwicklungsarbeit. Seitdem wurde der Prozess fortlaufend durch Protiq verbessert und weiterentwickelt, sodass es dem Unternehmen im Jahre 2019 als weltweit Erstem gelang ebenfalls reines Kupfer anzubieten. Der Werkstoff enthält keine weiteren Legierungsbestandteile und entspricht dabei dem Material-Standard Cu-ETP, mit einer elektrischen Leitfähigkeit von 58 Megasiemens pro Meter (MS/m) – respektive 100 % IACS.
Die Protiq GmbH tritt am Markt als zuverlässiger, industrieller Fertigungsdienstleister auf und ist das Kompetenzzentrum im Bereich der Additiven Fertigung in der Phoenix Contact Unternehmensgruppe. Mit Ihren Anfängen in der Additiven Fertigung im Jahre 2010 und über 10 Jahren Erfahrung mit additiv verarbeiteten Kupferwerkstoffen, versteht sich Protiq selbstbewusst als Marktführer auf diesem Feld. Hierbei liefert Protiq die 3D-gedruckten Bauteile in alle Branchen z. B. den Automobilsektor, den Maschinenbau oder an namhafte Produzenten für induktive Erwärmungssysteme aus Kupfer.
Klassische Herstellung von Induktoren
Induktoren werden in vielen Industriebereichen für das effiziente und präzise Erwärmen von Metallbauteilen genutzt. Hierbei hat die Spulengeometrie einen entscheidenden Einfluss auf das Erwärmungsbild und ist besonders beim Randschichthärten essenziell. Komplexe und genaue Härteanforderungen resultieren gleichermaßen in steigenden Anforderungen an die eingesetzten Induktionsspulen. Diese Anforderungen nehmen mit zunehmendem Einsatz von FEM-Simulationen und numerisch optimierten Bauteilen weiter zu.
Klassischerweise werden die eingesetzten Spulen – oft händisch – durch das Biegen, Schneiden und Löten von hohlen Kupferhalbzeugen hergestellt. Hierdurch sind der möglichen Komplexität der Spule durch minimale Biegeradien und der nötigen Reproduzierbarkeit deutliche Grenzen gesetzt.
Alternativ werden die Spulen aus CNC-gefrästen und anschließend verschweißten oder gelöteten Einzelteilen hergestellt. All diese Prozesse sind aufwendig, arbeitsintensiv und machen die eingesetzten Spulen sehr teuer. Zusätzlich resultiert der Prozess in langen Lieferzeiten von mehreren Wochen.
Induktoren in der additiven Fertigung
Die Vorteile der Additiven Fertigung können diese Nachteile adressieren, sodass der 3D-Druck von Induktionsspulen auf allen Ebenen eine Verbesserung darstellt.
Zum einen können die additiv gefertigten Spulen mit deutlich weniger manuellem Aufwand hergestellt werden. Dies schlägt sich sowohl in geringeren Herstellkosten der Spulen als auch in deutlich verringerten Lieferzeiten nieder. Diese liegen bei Protiq, selbst für sehr komplexe Spulen, im Durchschnitt zwischen fünf und acht Werktagen.
Zum anderen profitieren die Spulen von der gesteigerten Geometriefreiheit im Design- und Fertigungsprozess. Durch den schichtweisen, additiven Aufbau können die Spulen im Ganzen, also aus einem Stück gefertigt werden. Das spart sowohl den manuellen Fertigungsaufwand des Fügens und stellt zusätzlich eine Verbesserung im eigentlichen Erwärmungsbetrieb dar. Die Schweiß- und Lötstellen in der klassische Induktoren-Fertigung stellen für die zyklische mechanische und thermische Belastung eine deutliche Schwachstelle dar. Außerdem kann der Strom- und Kühlwasserfluss in nicht ideal umgesetzten Lötstellen gestört werden, was zu lokalen Überhitzungen und einer zusätzlichen Schwächung der Lötstelle führt. Mit der Zeit treten an diesen Stellen Risse auf, die zu Leckage oder dem Komplettausfall der Spule führen. Durch die Additive Fertigung entfällt die Notwenigkeit solcher Schwachstellen, wodurch die Standzeit der eingesetzten Spulen um ein Vielfaches verlängert werden kann.
Die höhere Gestaltungsfreiheit der Additiven Fertigung eröffnet darüber hinaus zusätzliche Potentiale. Aufgrund der Produktion direkt aus den CAD-Daten weisen die 3D gedruckten Spulen eine deutlich höhere Widerholgenauigkeit als händisch gebogene Spulen auf. Außerdem können nun neue Spulenformen umgesetzt werden, die bisher durch fertigungstechnische Einschränkungen beim Biegen oder Fräsen nicht herstellbar waren. Hierdurch lassen sich z. B. Prozesse mit geringeren Zykluszeiten, eine verbesserte Homogenität bei komplexen Erwärmungsaufgaben oder eine allgemeine Steigerung der Effizienz erreichen.
Mit immer zuverlässiger werdenden FEM-Simulationen des induktiven Erwärmungsprozesses, können digitale Verbesserungspotentiale im Spulendesign und Erwärmungsprozess identifiziert werden. Diese Potentiale in der Gänze zu heben, setzt allerdings oft Spulengeometrien voraus, die nur noch mithilfe der Additiven Fertigung herstellbar sind. Bei bereits umgesetzten Projektkooperationen zwischen Protiq und namhaften Akteuren in der Automobilindustrie waren Produktivitäts-Steigerungen von 20-30 % keine Seltenheit.
Additive Fertigung als Dienstleistung
Die Erfahrung hat gezeigt, dass additiv gefertigte Induktoren vom Protiq, eins zu eins in der Produktion integriert werden können, um eine bisher klassisch produzierte Spule abzulösen. Gleichzeitig setzt der 3D-Druck der Spulen viel Prozessverständnis der Additiven Fertigungstechnologie und Parameterführung voraus. Besonders die Vorbereitung der Bauteildaten für die Produktion, die Orientierung der Spulen im Fertigungsjob-Layout und die spätere Entfernung der Stützstrukturen nach der Additiven Fertigung erfordern viel Erfahrung. Aufgrund der Notwenigkeit die Spulenkörper hohl herzustellen, um den benötigten Kühlwasserstrom sicherzustellen, gewinnt dieser Punkt zusätzliches Gewicht. Zwar ist die benötigte industrielle Anlagentechnik mittlerweile bei namhaften Anlagenherstellern verfügbar, diese ist allerdings sehr hochpreisig.
All dies macht es für einzelne Unternehmen schwer eine wirtschaftliche In-House-Fertigung mit der nötigen Fertigungsqualität und Anlagenauslastung sicherzustellen. Hier stellen die jahrelange Erfahrung und die gebündelten Kapazitäten von Fertigungsdienstleistern wie Protiq eine sinnvolle Alternative zur In-House-Produktion dar, speziell bei der Herstellung von additiv gefertigten Kupferinduktoren.
Protiq bietet, neben der verbreiteten Legierung CuCr1Zr, auch die eigens entwickelten Werkstoffe RS-Kupfer (RS-Cu) und reines, unlegiertes Kupfer an. Das Reinkupfer entspricht der Spezifikation von Cu-ETP und erreicht im Betrieb eine elektrische Leitfähigkeit von 58 Megasiemens pro Meter (MS/m) – respektive 100 % IACS (International Annealed Copper Standard). Additiv gefertigte Spulen aus diesem Material überzeugen aufgrund ihrer hohen Leitfähigkeit mit besonders effizientem Prozessverhalten. Bei dem speziell für additiv hergestellte Induktoren entwickelten Werkstoff RS-Cu handelt es sich um eine Legierung mit 99 % Kupferanteil, die eine elektrische Leitfähigkeit von bis zu 50 MS/m erreicht. Das Material liefert eine gesteigerte Materialfestigkeit bei dennoch guter elektrischer Leitfähigkeit, und wird von vielen Kunden speziell bei sehr komplexen Induktor-Geometrien geschätzt. Das für den additiven Fertigungsprozess optimierte Material ermöglicht, im Vergleich zu anderen additiven Kupfersorten, die höchste Detailabbildung und die beste Oberflächenqualität.
Die von Protiq hergestellten Spulen werden im Rahmen der Qualitätskontrolle auf Ihre Leitfähigkeit und Dichtigkeit geprüft. Hierbei garantiert der Hersteller ab einer Wanddicke von 1 mm die Dichtheit bei Wasserdrücken bis zu 20 bar. Aus dem Material RS-Cu können durch Protiq aber auch Spulen mit einer Wanddicke von bis zu 0,5 mm erfolgreich hergestellt werden. Dies setzt allerdings eine Einzelfallbetrachtung, in Rücksprache mit dem Kunden voraus.
Marketplace
Zusätzlich zur eigenen Produktion, betreibt die Namensgebende Protiq GmbH den Protiq Marketplace, eine Online-Plattform für additive und klassische Fertigungsdienstleistungen. Der Marktplatz stellen für Anwender und Produktionsdienstleister eine Schnittstelle im Bereich des industriellen 3D-Drucks zur Verfügung und bringen die Akteure an einem Ort zusammen. Die Plattform ist speziell auf die Qualitätsansprüche und Bedürfnisse industrieller Anwender ausgerichtet. Im Gegensatz zu ähnlichen Plattformen liegt der Fokus besonders auf Transparenz und Datensicherheit.
Neben Protiq treten auf der Plattform über 40 ausgewählten industriellen Fertigungsdienstleister auf. Das Portfolio des Marktplatzes umfasst 18 verschiedene Fertigungsverfahren, mit über 160 Materialien aus Kunststoff, Metall oder Keramik. Die Protiq-Plattform bietet ihren Kunden eine vollständig digitale Prozesskette, um die Effizienz des Additiven Fertigungsverfahrens nicht durch traditionelle Bestellprozesse zu beeinträchtigen. Nach dem Hochladen der 3D-Bauteildaten erhalten die Nutzer sofort eine automatisierte, verbindliche Preisinformation sowie eine voraussichtliche Lieferzeit. Dies ermöglicht es ihnen, verschiedene Verfahren, Materialien und Fertigungsdienstleister zu vergleichen. Eine sofortige, stückzahlabhängige Gegenüberstellung der Produktionsprozesse unterstützt die finale Auftragsvergabe.
Innerhalb weniger Minuten kann ein offizielles Angebot erstellt und die Bestellung online aufgegeben werden. Um den Anforderungen großer industrieller Anwender mit etablierten Einkaufsprozessen gerecht zu werden, bietet Protiq zudem die Möglichkeit einer individuell programmierten API-Schnittstelle oder die Bestellung über bewährte E-Procurement-Anbieter wie Meplato oder SAP-Ariba an.
Während des Uploads erfolgt automatisch eine Qualitätskontrolle der eingereichten Daten, wobei kleinere Fehler durch einen Reparaturalgorithmus selbstständig behoben werden. Bei regelmäßig wiederkehrenden Bauteilen wird dem Nutzer auf der Protiq Plattform durch selbst entwickelte Produkt-Konfiguratoren ein zusätzlicher kostenneutralen Mehrwert geboten. Besonders der Konfigurator für einfache Induktionsspulen sei hier gesondert genannt. Die Nutzer können die Spulen auf der Plattform mithilfe interaktiver Regler und Parameter selbst erstellen und individuell an die jeweiligen Anforderungen anpassen. Hierfür werden keine Erfahrungen im Umgang mit CAD-Systemen oder im Konstruktionsbereich vorausgesetzt. Eine Plausibilitätsprüfung stellt sicher, dass jede Konfiguration auch herstellbar ist.
Bei komplexeren Bauteilen, die nicht durch die Produkt-Konfiguratoren abgebildet werden können, und für die dem Kunden keine 3D-Daten vorliegen, unterstützt Protiq durch einen kompetenten Engineering-Service. Die für die Additive Fertigung notwenigen 3D-Daten, können durch Protiq entweder im Rahmen einer Konstruktions-Dienstleistung durch einen CAD-Konstrukteur, anhand einer technischen 2D-Zeichnung oder durch Reverse Engineering mittels CT-Scan erstellt werden. Darüber hinaus überzeugt das Unternehmen durch fachkundige persönliche Beratung, sodass auch spezielle Anforderungen und Rahmenbedingungen für eine potenzielle Fertigung der jeweiligen Bauteile geklärt werden können.
Autor
Max Wissing
Technologiemanager Protiq GmbH
Flachsmarkt Straße 54
32825 Blomberg
+49-5235-342589
mwissing@protiq.com
Mehr zum Thema Additive Fertigung können Sie in der PROZESSWÄRME 7-8 2024 lesen.