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Aalener Gießereikolloquium 2024: Der vollständige Bericht

Am 25. Mai 2024 versammelten sich mehr als 240 Fachleute aus Industrie, Forschung und Bildung am Aalener Gießereikolloquium, um die neuesten Trends und Entwicklungen in der Gießereibranche zu diskutieren. Professor Kallien begrüßte die Teilnehmer des prall gefüllten Programms.

von | 30.05.24

Aalener Gießereikolloquium 2024, v.l.n.r.: Dr. Werner Fragner (AMAG Austria Metall AG), Dr. Marcel Pfitzer (Mercedes-Benz AG), Stefan Prockl (Bühler AG), Prof. Dr.-Ing. Lothar H. Kallien (Hochschule Aalen), Credits: Prof. Kallien, HS Aalen
© Prof. Kallien, HS Aalen
Aalener Gießereikolloquium 2024, Experten

Mai 2024 | Am 25. Mai 2024 versammelten sich mehr als 240 Fachleute aus Industrie, Forschung und Bildung am Aalener Gießereikolloquium, um die neuesten Trends und Entwicklungen in der Gießereibranche zu diskutieren. Professor Kallien begrüßte die Teilnehmer des prall gefüllten Programms.

Auch in diesem Jahr durfte Prof. Kallien mehr als 240 angereiste Vertreter der Gießereibranche aus Industrie und Forschung, als auch interessierte Studenten und Studentinnen zum Aalener Gießereikolloquium begrüßen. Mit über 20 Ausstellern war die Fachausstellung wiederum ausgebucht.

Die Vortragsreihe eröffnete Klaus Hansen von Volvo Cars aus Göteborg mit seinem Vortrag über „Lessons learned optimizing casting flow for Megacastings“. Volvo nimmt gerade die ersten großen Druckgießmaschinen für Aluminiumgroßgussteile in Europa in Betrieb. Eine zweite Fabrik wird momentan in Kosice, Slowakei gebaut und soll 2026 fertig gestellt werden. Die zweite Fabrik neben Göteborg soll mit einer Gebäudegrundfläche von 300.000 m² ca. 250.000 Autos pro Jahr produzieren. Wichtig hierbei zu erwähnen ist, dass weitere potenzielle Fläche genutzt werden könnte, um die komplette Anlage zu spiegeln und 500.000 Autos pro Jahr zu produzieren. Bei der Planung der Fabrik wurde besonderer Wert auf Materialflüsse gelegt. Im Gegensatz zu der „Just in Time“- Strategie hat Volvo einen Extraktionspuffer integriert, welcher gründliche Inspektionen der produzierten Teile zulässt. Die Hauptherausforderung war jedoch, so Herr Hansen, den traditionellen Gedanken: „das haben wir schon immer so gemacht“ abzulegen und sich auf neue Dinge einzulassen.

Dr. Pfitzer präsentierte anschließend innovative Ansätze für den nachhaltigen Materialeinsatz in der Karosserieproduktion bei Mercedes-Benz. Seine Ausführungen zur Topologieoptimierung und die Präsentation von BioniCast®-Bauteilen zeigten eindrucksvoll, wie durch intelligentes Design Material und Gewicht eingespart werden können. Insbesondere im Luxussegment gewinnt der Leichtbau und damit auch der Aluminiumguss immer mehr an Bedeutung. Auch die Zulieferketten sollen bis 2039 durch einen 3-stufigen Ansatz in Richtung Nachhaltigkeit angepasst werden.

Aalener Gießereikolloquium, Dr. Marcel Pfitzer beim Vortrag

Dr. Marcel Pfitzer beim Vortrag, Bildquelle: Prof. Kallien

 

Stefan Prockl von der Bühler AG aus der Schweiz sprach über „Megacastings: A Suitability Analysis“. Angesichts der globalen Erwärmung und der daraus resultierenden Umweltkatastrophen wächst der Druck von Regulierungsbehörden und Interessengruppen, die Treibhausgasemissionen in der Automobilindustrie zu reduzieren. Eine von Bühler durchgeführte LCA-Studie vergleicht Aluminiumdruckguss und Stahlstanzteile für die Produktion eines hinteren Unterbodens hinsichtlich ihrer jeweiligen Auswirkungen auf die globale Erwärmung. Mit einem neuen Berechnungsansatz werden alle Emissionen bis Scope 3 erfasst. Die Studie zeigt, wie wichtig umweltfreundlich produzierte Rohstoffe, die für die Produktion benötigte Energie und ein erhöhter Anteil an Recyclingmaterial sind, um den CO2-Fussabdruck zu reduzieren. Durch den Hebel Megacasting können nachhaltigere, leichtere Gussteile geschaffen werden, die eine weitere CO2 Reduzierung ermöglichen.

 

Stefan Prockl beim Vortrag

Stefan Prockl beim Vortrag, Bildquelle: Prof. Kallien

 

Nach einer kurzen Pause referierte Dr. Werner Fragner von der Firma AMAG Austria Metall AG über das Thema: „Recyclinggusslegierung mit niedrigem CO2-Fußabdruck für Sicherheitsbauteile“. Vorgestellt wurde die neu entwickelte Recycling-Gusslegierung AlSi7.REC, die bei AUDI für sicherheitskritische Bauteile in Serie geht und auch hohe Designanforderungen erfüllen muss. Ein Recyclinganteil von > 70 % spielt dabei eine zentrale Rolle. Anhand der Recyclinglegierung wird deutlich, was passiert, wenn die Toleranzgrenzen von jahrzehntelang etablierten Werkstoffen hinterfragt und angepasst werden. Die bei Audi für Felgen eingesetzte Legierung besteht alle Belastungstests vom „Curb-Test“ bis zum „Bordstein-Test“ und erfüllt die Anforderungen an Festigkeit und Korrosion.

 

Besondere Momente beim Aalener Gießereikolloquium

Ein besonderer Moment war die Verleihung des 10. Zinkdruckpreises, bei der herausragende Innovationen in verschiedenen Kategorien geehrt wurden. Der Abend klang mit einem Gießerabend aus, der reichlich Gelegenheit für persönlichen Austausch bot.Bei der anschließenden erstmaligen Preisverleihung des diesjährigen 10. Zinkdruckpreises in Aalen gab Frank Neumann von der Initiative ZINK aus Düsseldorf die Gewinner bekannt.

Im Anschluss an die Kurzvorträge der Aussteller bot der Gießerabend im Gießereilabor der Hochschule Aalen die Möglichkeit zum intensiven persönlichen Austausch zwischen Gießerei- und Zulieferindustrie.

Am Freitagvormittag stellte Dr. Sebastian Tewes vom BDGuss die schon anlässlich der Euroguss 2024 prämierten Gewinner des Druckgusswettbewerbs Magnesium, Zink und Aluminium 2023/2024 in Bild und Ton vor. Darunter waren eine Zylinderkopfhaube, ein Elektronikgehäuse für den Bergbau und eine Tragstruktur für eine hybride Instrumententafel.

alle Preisträger Zinkdruckgusspreis ganz rechts Prof. Kallien

Alle Preisträger des Zinkdruckgusspreises mit Prof. Kallien (rechts), Bildquelle: Prof. Kallien

Druckguss und Gigacasting

Marco Bottin von der Firma FORM S.R.L. referierte über das Thema „Innovatives Konzept und Werkstoffe für Druckgussformen“. Es wurden Versuchsreihen zum „High Temperature Die Casting“ vorgestellt. Hier wird eine auf hohe Temperatur aufgeheizte Grafitform genutzt um mit langsamer Formfüllgeschwindigkeit dünnwandige Teile herzustellen. Zur Bewertung des Verfahrens wurde eine Fallstudie an einem PC-Monitorhalter durchgeführt, die zu folgenden Ergebnissen führte: Reduzierte Drücke und Schmelzegeschwindigkeiten sind möglich, Sprühen ist nicht erforderlich, wodurch die Zykluszeit verkürzt werden kann.

Christoph Dörr von der Firma TRUMPF Laser- und Systemtechnik GmbH erläuterte die „Vorteile im Druckguss durch Kohlenstoffstähle aus dem 3D-Drucker“. Die bekannten Vorteile einer 3D-gedruckten, konturnahen Kühlung sind niedrige Oberflächentemperaturen, die Mikrosprühen und damit eine erhöhte Standzeit der Einsätze ermöglichen. Auch Zykluszeiteinsparungen können durch eine konturnahe Kühlung des Angussverteilers erreicht werden. Mit der konturnahen Temperierung kann eine effiziente, homogene und sofortige Temperierung der Angussverteileroberfläche realisiert werden. Kohlenstoffhaltige Stähle sind für den Einsatz im Druckguss besonders geeignet, da sie dem abrasiven Verhalten von Aluminium und den hohen Prozesstemperaturen widerstehen.

Danach stellte Dr. Andreas Mertz das Thema „Gigacasting – gezielter Einsatz von Peripheriegeräten“ vor. Das Vakuumsystem FX VAC kann bei richtiger Einstellung die Gas-/Luftmenge in der Werkzeugkavität und im Gießsystem um bis zu 95 % reduzieren. Mit dem Jet-Kühler FX-JET können Hot Spots durch Verdampfungskühlung gekühlt werden, wodurch Schwindung, Porosität und Anhaftungen reduziert werden. Das flexible Squeeze-System FX-Squeeze führt eine lokale Nachspeisung von Druckgussteilen durch, wodurch Schwindungsporosität vermieden wird.

 

Von der Theorie zur Praxis: Anwendungsforschung in der Gießereitechnik

Abschließend wurden die aktuellen Forschungsthemen der Hochschule Aalen vorgestellt.

Frau Dr. Heidi Willing referierte über den „Einfluss des Wasserstoff-Eintrags auf die galvanische Beschichtbarkeit von Zinkdruckguss und Entwicklung von Maßnahmen zur Vermeidung (ZiBe3)“. Es wurde festgestellt, dass bei Zinkfolien (99,9 %) und Zamak (Z410) über 200 Stunden keine Wasserstoffpermeation auftrat.

Untersuchungen mittels Heißgasextraktion zeigten, dass unbehandelte und qualitativ hochwertige verkupferte Proben kaum Wasserstoff enthielten. Dagegen wiesen Proben mit schlechter Gussqualität deutliche Unterschiede im Wasserstoffgehalt auf. Insbesondere in vernickelten Proben konnte ein signifikanter Wasserstoffgehalt nachgewiesen werden, der auch durch die GDOES-Analyse bestätigt wurde. Die Untersuchungen zeigten, dass sich der Wasserstoff insbesondere bei Proben mit schlechter Oberflächenqualität in die Kupfer- und Nickelschichten einlagert.

Zur Vermeidung der Wasserstoffbildung wurden verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen: Optimierung der Gießparameter zur Reduzierung von Oberflächenfehler, mechanische Nachbehandlung zur Reduzierung von Kaltlaufstellen und eine angepasste Spültechnik nach der elektrolytischen Entfettung und Aktivierung während der Galvanisierung.

 

Innovation und Umweltschutz

Max Schütze berichtete über den Einsatz von mehrschichtigen Sandkernen im Druckguss. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG – 505145110) geförderte Projekt wird in Zusammenarbeit mit dem utg der TU München durchgeführt. Um die Belastungen auf den Sandkern genau bestimmen zu können, wurde ein Prüfstand entwickelt, der flüssiges Aluminium mit Wasser simuliert. Ebenso wurden bereits die Ergebnisse der ersten Versuchsreihe zur Oberflächenqualität der Druckgussteile vorgestellt. Geplant sind Videoaufzeichnungen beim Zerfall des Kerns mit Aluminiumschmelze in der Druckgussmaschine.

Annike Bossert stellte „Innovative Hybride aus Holz und Druckguss“ vor und ging dabei auf den Projektablauf sowie auf ökologische und ökonomische Aspekte ein. Vorteile dieser Hybride sind unter anderem das Leichtbaupotenzial, die kostengünstigen Rohstoffe und der CO2-Speichereffekt. So soll eine Holz-Guss-Hybridbauweise als effiziente Enabler-Technologie für Holz in Fahrzeugstrukturen entstehen.

 

Zukunftsweisende Materialforschung an der Hochschule Aalen

Dr. Marcel Becker und Thomas Weidler referierten über „Vacural®-Druckguss zur Herstellung innovativer Leichtbauteile aus Aluminium und Magnesium“. Am Beispiel eines Getriebedeckels wurde im Rahmen des Forschungsprojekts Indructec-E das Leichtbaupotenzial von Aluminium und Magnesium aufgezeigt. Durch die Optimierung des Gussteils konnte das Bauteilgewicht bei Aluminium um 34 % und bei Magnesium um 51 % reduziert werden. Zusätzlich konnten die Kosten um > 40 % und der CO2-Fußabdruck um > 60 % reduziert werden.

Valentin Ziegler erläuterte „Eigenschaften einer Sekundärlegierung in Abhängigkeit von der Legierungszusammensetzung – AlSi10MnMg“. Die Festigkeit wird durch die Erhöhung des Recyclinganteils positiv beeinflusst, die Dehnung nimmt jedoch bei deutlich höheren Gehalten teilweise ab. Die Korrosionsbeständigkeit nimmt mit höheren Kupfer- und Zinkgehalten ab und die Wärmeleitfähigkeit wird durch die Wärmebehandlung teilweise überlagert. Bei der Untersuchung konnte ein CO2-Fußabdruck von 1,2 kgCO2/kg erreicht und ein Recyclinganteil von 85 % simuliert werden. Dieses Vorhaben wurde in Zusammenarbeit mit der Fa. Handtmann durchgeführt.

Den Abschluss der Vortragsreihe bildete Axel Kansy mit seinem Vortrag „Untersuchung der zyklischen Eigenschaften von Zinkdruckguss“. Es wurde festgestellt, dass beim quasistatischen Werkstoffverhalten die Prozessparameter keinen eindeutigen Einfluss haben und die Zugfestigkeit und Bruchdehnung der dickeren Proben höher ist. Eine höhere ertragbare Spannungsamplitude wurde bei ZP0430 im Vergleich zu ZP0410 festgestellt. Bei den metallographischen Untersuchungen besteht eine signifikante Korrelation zwischen Wanddicke und mittlerer Korngröße.

Das Aalener Gießereikolloquium endete mit einem gemeinsamen Imbiss im Gießereilabor.

 

(Quelle: Prof. Kallien, Hochschule Aalen/2024)

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