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Energieeffiziente Wärmenutzung beim Aluminium-Recycling: Thermische Prozesse als Schlüssel zur ressourcenschonenden Metallkreislaufwirtschaft

Die Industrie steht weltweit vor der Herausforderung, Produktionsprozesse nachhaltiger zu gestalten. Besonders die metallverarbeitende Branche mit ihren energieintensiven Verfahren muss innovative Wege finden, um Ressourcen zu schonen und CO₂-Emissionen zu reduzieren. Ein Paradebeispiel für erfolgreiche Transformation ist das Aluminium-Recycling, bei dem durch optimierte thermische Prozesse massive Energieeinsparungen erzielt werden können.

von | 25.05.25

Aluminium-Recycling: der Weg zur nachhaltigen Industrie (Quelle: Adobe Stock)
Aluminium-Recycling: der Weg zur nachhaltigen Industrie (Quelle: Adobe Stock)

Der Kontrast ist beeindruckend: Während die Primärproduktion von Aluminium aus Bauxit etwa 14.000 kWh pro Tonne benötigt, kommt das Recycling mit nur einem Bruchteil aus.

“Die Wiederaufbereitung von Sekundäraluminium spart bis zu 95% der Energie ein, die für die Neuproduktion erforderlich wäre”, erklärt Dr. Michael Weber vom Institut für Metallurgie und Energiesysteme. Diese Effizienz macht den Werkstoff zum Vorzeigematerial der Kreislaufwirtschaft.

Die Zahlen belegen den wachsenden Erfolg des Sekundäraluminiums in der Industrie:

  • 59% des in Europa genutzten Aluminiums stammt bereits aus Recyclingquellen
  • Im zweiten Quartal 2024 wurden allein in Deutschland über 725.000 Tonnen recyceltes Aluminium produziert
  • Wiederverwertungsquoten von 90% im Automobilsektor zeigen das erreichte Potenzial

Der Marktwert für recyceltes Aluminium wird bis 2028 voraussichtlich auf über 42 Milliarden Euro anwachsen – mit jährlichen Wachstumsraten von mehr als 8%. “Aluminium kann beliebig oft ohne Qualitätsverlust recycelt werden. Diese Eigenschaft macht es zum idealen Material für geschlossene Produktionskreisläufe”, so Julia Berger von Aluminium Deutschland e.V.

Wärmemanagement im Recyclingprozess

(Quelle: Adobe Stock)

(Quelle: Adobe Stock)

  1. Thermische Vorbehandlung

Bevor Aluminiumschrott eingeschmolzen werden kann, durchläuft er mehrere thermische Vorbehandlungsschritte. Diese beginnen mit der Entfernung organischer Rückstände und Beschichtungen, was üblicherweise in Pyrolyseanlagen bei Temperaturen zwischen 400°C und 550°C geschieht.

“Die Prozesswärme aus dieser Phase gezielt zu nutzen, war lange ein vernachlässigter Aspekt”, berichtet Ingenieur Thomas Müller von der Technischen Hochschule Aachen. “Moderne Anlagen gewinnen heute bis zu 40% dieser Wärme zurück und nutzen sie für die Vorwärmung des nachfolgenden Schrottmaterials.”

(Quelle: Adobe Stock)

(Quelle: Adobe Stock)

Bei der Dekontamination von beschichteten Produkten wie Fensterrahmen oder Fassadenelementen setzen sich zunehmend innovative Verfahren durch:

  • Niedertemperatur-Pyrolyse mit präziser Temperaturführung zur Schonung der Aluminiumsubstanz
  • Katalytische Oxidation von Ausgasungen zur Wärmerückgewinnung
  • Integrierte Wärmetauscher-Systeme zur direkten Energierückführung
  1. Schmelzprozess und digitale Optimierung

Das Herzstück des Recyclingprozesses ist die Schmelzphase. In modernen Recyclinganlagen kommen unterschiedliche Ofensysteme zum Einsatz, deren Effizienz maßgeblich über den Energieverbrauch entscheidet:

Ofentyp Energieverbrauch Typische Anwendung
Drehtrommelofen 500-700 kWh/t Gemischter Schrott mit hohem Organikanteil
Schachtofen 400-550 kWh/t Vorgereinigter Schrott mittlerer Qualität
Induktionsofen 550-650 kWh/t Hochreiner Schrott, präzise Legierungsanforderungen

 

“Die Digitalisierung hat die Schmelzprozesse revolutioniert”, erläutert Dr. Sandra Klein von der Speira Recycling GmbH. “Unsere KI-gestützten Steuerungssysteme passen Energiezufuhr und Prozessparameter sekundengenau an die jeweilige Schrottzusammensetzung an.” Diese Präzision führt zu Energieeinsparungen von 15-22% gegenüber konventionellen Anlagen.

Ein Schlüsselelement moderner Schmelzanlagen ist die Wärmerückgewinnung aus Abgasen. Rekuperative Brenner und Wärmetauscher-Systeme gewinnen bis zu 60% der Abwärme zurück und führen sie dem Prozess wieder zu.

(Quelle: Adobe Stock)

(Quelle: Adobe Stock)

  1. Innovative Konzepte zur Abwärmenutzung

Über den eigentlichen Recyclingprozess hinaus entwickeln führende Unternehmen zunehmend kaskadische Wärmenutzungskonzepte:

Beispiel: Integriertes Energiesystem bei Hydro Aluminium Recycling

  1. Primäre Abwärme (>450°C) wird zur Dampferzeugung genutzt
  2. Mittlere Temperaturniveaus (200-450°C) dienen der Vorwärmung von Rohmaterial
  3. Niedertemperaturwärme (<200°C) wird für Trocknungsprozesse und Gebäudeheizung eingesetzt

Diese mehrfache Nutzung von Prozesswärme hat den Gesamtenergieverbrauch des norwegischen Unternehmens um 34% reduziert und wird als Blaupause für die Branche gehandelt.

Technologische Herausforderungen und Lösungsansätze

Legierungsvielfalt und thermische Präzision

Eine zentrale Herausforderung beim Aluminium-Recycling ist die große Vielfalt an Legierungen im Ausgangsmaterial. Je nach Anwendung enthält Aluminiumschrott unterschiedliche Mengen an Silizium, Magnesium, Kupfer oder Zink. Diese Varianz erfordert präzise gesteuerte thermische Prozesse.

“Die Schmelztemperaturen verschiedener Legierungen können um bis zu 150°C variieren”, erklärt Prof. Dr. Martina Weber vom Institut für Materialforschung. “Um Energieverschwendung zu vermeiden, müssen wir jeden Batch individuell behandeln.”

Fortschrittliche Lösungsansätze umfassen:

  • Echtzeit-Spektralanalyse zur Bestimmung der Legierungszusammensetzung vor dem Schmelzen
  • Zonenweise temperierte Schmelzöfen für unterschiedliche Materialklassen
  • Adaptive Temperaturführung durch selbstlernende Steuerungssysteme

Hybride Energiesysteme für Schmelzprozesse

Die Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung steht im Fokus aktueller Entwicklungen. “Wir implementieren zunehmend hybride Energiesysteme, die je nach Verfügbarkeit zwischen verschiedenen Energiequellen wechseln können”, berichtet Energiemanager Markus Schmidt von der Recycling Technologies GmbH.

Besonders vielversprechend sind:

  • Elektrisch-fossile Hybridlösungen als Übergangstechnologie
  • Power-to-Heat-Systeme zur Integration volatiler erneuerbarer Energien
  • Erste Pilotanlagen mit Wasserstoff-Direktbefeuerung

Internationale Best Practices und Zukunftstrends

International zeigen sich unterschiedliche Herangehensweisen an energieeffiziente Recyclingprozesse:

Japan hat mit seinem “Can-to-Can”-System einen geschlossenen Kreislauf für Getränkedosen etabliert, der die thermischen Prozesse auf minimalen Energieverbrauch optimiert. Innerhalb von 60 Tagen werden gebrauchte Dosen wieder zu neuen Dosen verarbeitet, wobei ein ausgeklügeltes Wärmemanagement den Energieverbrauch auf 465 kWh pro Tonne reduziert hat.

In Norwegen nutzt der Aluminiumhersteller Hydro die geografischen Vorteile des Landes: Die Abwärme aus Recyclinganlagen wird in Fjordwasser-Wärmepumpen eingekoppelt und für die Beheizung von Industrieanlagen und Wohngebieten genutzt. Mit seinem “Circal”-Programm produziert das Unternehmen Aluminium mit mindestens 75% recyceltem Konsumentenschrott und einem CO₂-Fußabdruck, der 84% unter dem globalen Durchschnitt liegt.

Deutschland ist führend bei der Entwicklung digitaler Zwillinge für thermische Recyclingprozesse. Die virtuelle Abbildung und kontinuierliche Optimierung der Schmelzprozesse ermöglicht eine präzise Steuerung der Energiezufuhr und reduziert Schwankungen im Produktionsprozess.

Ausblick: Vollständige Dekarbonisierung der thermischen Prozesse

Die Zukunft des Aluminium-Recyclings wird maßgeblich von der Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung geprägt sein. Drei Schlüsseltechnologien stehen dabei im Fokus:

  1. Elektrifizierung der Schmelzprozesse mit Strom aus erneuerbaren Quellen
  2. Direktreduktion mit grünem Wasserstoff für spezifische Anwendungen
  3. Biomasse-basierte Wärmeerzeugung als Ergänzung in integrierten Systemen

“Die vollständige Klimaneutralität des Aluminium-Recyclings ist bis 2040 ein realistisches Ziel”, prognostiziert Klimaforscherin Dr. Elena Schmidt. “Die technologischen Grundlagen sind vorhanden, nun geht es um die flächendeckende Implementierung und Skalierung.”

Für die Prozesswärmenutzung bedeutet dies eine zunehmende Verknüpfung von industriellen und kommunalen Wärmenetzen, in denen Aluminium-Recyclinganlagen als zentrale Energielieferanten fungieren können.

Fazit: Thermische Effizienz als Wettbewerbsvorteil

Die optimierte Nutzung thermischer Energie im Aluminium-Recycling ist weit mehr als ein ökologischer Beitrag – sie entwickelt sich zum entscheidenden wirtschaftlichen Faktor. Unternehmen, die ihre Wärmeprozesse konsequent optimieren, profitieren von:

  • Signifikanten Kosteneinsparungen bei steigenden Energiepreisen
  • Reduzierter Abhängigkeit von volatilen Rohstoff- und Energiemärkten
  • Wettbewerbsvorteilen durch niedrigere CO₂-Bilanzen und ESG-Konformität
  • Erschließung neuer Geschäftsfelder im Bereich thermischer Dienstleistungen

Das Beispiel Aluminium demonstriert eindrucksvoll, wie die intelligente Steuerung von thermischen Prozessen und geschlossene Materialkreisläufe die Grundlage für eine nachhaltige und wettbewerbsfähige Prozessindustrie bilden. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse lassen sich auf viele andere energieintensive Branchen übertragen – eine Chance, die wir im Interesse von Wirtschaft und Umwelt nutzen sollten.

Weiterführende Informationen und Quellen

Bildquelle, falls nicht im Bild oben angegeben:

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