Nachhaltiges Produzieren steht bei der Boschgotthardshütte Edelstahl Siegen (BHG), die seit 1466 im Siegerland produziert, seit jeher im Vordergrund. Weit vor der Diskussion über den Klimawandel und der daraus resultierenden Notwendigkeit CO2 einzusparen, hatte die BGH bereits in den 1980er Jahren in einem Forschungsvorhaben mit Universitäten das direkte Abschrecken von Stabstahl aus der Schmiedehitze vorangetrieben. Mittlerweile hat sich dieser Prozess, nicht zuletzt aufgrund des enormen CO2-Einsparpotenzials, etabliert. Im letzten Schritt wurde eine Induktionsanlage hinter der Schmiedelinie eigerichtet, die Stabstahl aus Werkstoffen mit Lösungsglühtemperaturen oberhalb der Schmiedeendtemperatur vor dem Abschrecken nach erwärmt.
Voraussetzung für die optimale Fertigung von Stabstahl in dem verketteten Prozess von der Erwärmung der Rohblöcke bis hin zum fertig wärmebehandelten, geschmiedeten Stabstahl ist eine entsprechende Programmplanung. Hierbei sind einige Herausforderungen zu berücksichtigten, die sich aus den spezifischen Gegebenheiten bei der BGH aber auch aus werkstofftechnischen, qualitativen Gesichtspunkten ergeben:

Bild 1: Im Bereich der Wärmebehandlung 3 kann Stabstahl bis zu einer Länge von 18.000 Millimetern vergütet werden
(Quelle: BGH Edelstahl Siegen)
- Werkstofftechnische Gründe wie z. B. das Management von Karbidausscheidungen
- Erhöhung des Durchsatzes in dem Bereich Warmumformung und Wärmebehandlung
- Optimierung der Herstellkosten und der Produktqualität (mechanisch-technologische Eigenschaften)
- Reduzierung des Umlaufbestands, im Wesentlichen aufgrund von Platzgründen.
Bedingt durch das Herstellprogramm werden neben dem direkten Abschrecken aus der Schmiedehitze eine Vielzahl von Möglichkeiten der Wärmebehandlung durchgeführt. In Gänze stehen allein im Werk Weidenau der BGH insgesamt 33 Wärmebehandlungsöfen und drei Abschreckbecken zur Verfügung, die 24/7 genutzt werden. Bild 1 zeigt den Bereich der Wärmebehandlung 3, hier kann Stabstahl bis zu einer Länge von 18.000 Millimetern vergütet werden.
Bisheriger Planungsprozess
Die übergeordnete Produktionsplanung erfolgt mittels ERP-System. In den einzelnen Abteilungen erfolgt auf der Basis der Gesamtplanung eine Feinplanung der einzelnen Produktions-Aggregate. Die Programmplanung für die Schmiedelinie in Weidenau inklusive Wärmebehandlung erfolgt wöchentlich für die jeweilige Folgewoche, wobei die Reihenfolgeplanung bisher mit geringer digitaler Unterstützung durch ein Gantt-Diagramm erstellt wurde. Wesentlicher Aspekt bei dieser Planung ist die Expertise der Mitarbeiter und ein möglichst störungsfreier Betrieb aller geplanten Anlagen und Öfen, um unter der Woche möglichst wenige Änderungen vornehmen zu müssen.
Es wurden immer wieder Projekte gestartet, um die Abläufe in der Arbeitsvorbereitung mit konventionellen EDV-Lösungen zu automatisieren, was aber bisher immer gescheitert ist. Grundsätzlich stand bei diesen Bemühungen stets die Reduzierung des Planungsaufwands im Vordergrund. Bedingt durch die Notwendigkeit CO2-Emissionen zu reduzieren und gleichzeitig die Energiekosten zu senken, bekam dieser Wunsch nach einem automatisierten Planungswerkzeug wieder eine neue Priorität. BGH hatte die Problemstellung erneut für eine Ausschreibung formuliert. Und gapzero hatte mit seiner mathematischen Optimierung das schlüssigste Konzept vorgestellt und wurde deshalb mit der Erarbeitung der Lösung betraut.
Der Wärmebehandlungs-Planer
Die Firma gapzero ist eine Ausgründung der RWTH Aachen und darauf spezialisiert, komplexe Planungsaufgaben softwaretechnisch und automatisiert zu lösen. Dazu wandelt gapzero hoch-kombinatorische Planungssituationen mit ökologischer und/oder ökonomischer Relevanz in mathematische Zwillinge um und entwickelt Algorithmen, die auf Knopfdruck bestmögliche Handlungsempfehlungen ermitteln. Das kann z. B. ein Produktionsplan sein, der knappe Ressourcen besser nutzt als es ein Mensch aufgrund der Vielzahl von Möglichkeiten und Abhängigkeiten je könnte. Die spezialisierten Algorithmen zur Planungsoptimierung bettet gapzero in eine Software ein, die insbesondere Planungslösungen interaktiv darstellt und auch manuelle Eingriffsmöglichkeiten durch menschliche Experten erlaubt.
Die Zusammenarbeit mit gapzero begann mit einer ersten mathematischen Analyse der Planungssituation, das Aufzeigen von Optimierungspotenzial sowie der Konzeptionierung einer Lösung und Abstimmung eines entsprechenden Entwicklungsfahrplans. Die Entwicklung des Wärmebehandlung-Planers (WB-Planer) durch gapzero startete im Mai 2022. Das Projektteam auf Seiten der BGH besteht aus den an der Planung beteiligten Personen rund um die Betriebsleiter Schmiede und Wärmebehandlung sowie einem Verantwortlichen aus dem Bereich IT-Management/Kommunikationstechnik. Der erste Projektfokus lag darauf, eine passgenaue Software zur Planungsunterstützung und algorithmischen Optimierung der Belegung der Wärmebehandlungsöfen zu entwickeln und in Anwendung zu bringen. Die Belegungsplanung von Öfen und Abschreckbecken ist ein Teilaspekt der Wärmebehandlungsplanung, der einerseits in der betrieblichen Praxis die größte Volatilität aufweist und deswegen durchgängig Umplanungen hervorruft. Andererseits ist die Ofenbelegungsplanung ein großer Stellhebel zur Optimierung von Durchlaufzeiten und Energieverbrauch.
Der WB-Planer ist eine browserbasierte Software, die vollständig auf Servern der BGH gehostet ist. Die Software ist an die bestehende LDAP-Benutzerauthentifizierung angebunden, so dass sich Mitarbeitende wie gewohnt anmelden können. Für den Austausch aller planungsrelevanten Informationen ist eine automatische, bidirektionale Schnittstelle zum Fertigungsleitsystem implementiert. Ein detailliertes Rechtesystem ermöglicht es, Nutzende mit unterschiedlichen Ansichts- und Bearbeitungsrechten auszustatten.
Planerische Unterstützung bei der Anlagenbelegungsplanung bietet der WB-Planer auf zwei verknüpfte Weisen: Auf der einen Seite hebt der WB-Planer das Planen per Hand auf den aktuellen Stand der Technik. Die bisher verwendete statische Planungsansicht mittels einer Excel-Visualisierung wird durch eine interaktive Visualisierung mit Drag-&-Drop-Funktion und intelligenten Planungshinweisen abgelöst. Zusätzlich ist der WB-Planer mit einer Planungs-KI ausgestattet, die auf Knopfdruck die ganze Planungsarbeit übernimmt und in Sekunden einen optimierten Fertigungsplan vorschlägt.
Intelligente Unterstützung bei der manuellen Planung
Das Herzstück des WB-Planers ist die Planungsansicht (Bild 2). In einem Gantt-Diagramm sind die Belegungen der Wärmebehandlungsanlagen zeitlich aufgetragen. Auf der vertikalen Achse sind die Öfen und Becken, gruppiert nach den Hallen, aufgeführt. Abschreckbecken sind blau hinterlegt. Die obersten Zeilen gehören zu dem der Wärmebehandlung vorgelagerten Prozess der Schmiede inklusive Schmiedemaschine und nachgeschalteten Induktions- sowie Tauchanlage. Der Schmiedetermin bildet den zeitlichen Startpunkt der anschließenden Wärmebehandlungen. Somit können die Schmiedetermine im WB-Planer mitgeplant werden. Die dabei planungsrelevanten Arbeitsschichten der Schmiede, inklusive Schmiedewerkzeug und angestrebter Tonnage sind in der Planungsansicht angegeben. Zeiträume, in denen eine Anlage nicht zur Verfügung steht, werden in Rot dargestellt.

Bild 2: Die Planungsansicht zeigt ein Gantt-Diagramm mit den Belegungen der Wärmebehandlungsanlagen (Quelle: BGH Edelstahl Siegen)
Die Planungsansicht ist interaktiv. Für jeden Fertigungsprozess können per Mausklick Detailinformationen aufgerufen werden. Zu den Wärmebehandlungsschritten sind so Details der Behandlung und des behandelten Materials aufgeführt (vgl. Bild 2). Prozessverbindende Linien zeigen den Fluss des Materials vom Schmiedetermin über die Wärmebehandlungen mit eventuellen Abschreckungen in den Becken an.
Durch Aktivierung des Planungsmodus können Um- sowie Neuplanungen vorgenommen werden. Per intuitivem Drag-&-Drop können grün dargestellte Prozesselemente mit der Maus verschoben werden. Zusätzlich öffnet sich ganz rechts eine Spalte, in der alle per Datenschnittstelle automatisch importierten Prozessschritte auftauchen, die noch nicht eingeplant wurden. Auch diese können per Drag-&-Drop jeweils einer Zeit und einer Anlage zugeordnet werden. Bei der Ein- bzw. Umplanung erhalten die Nutzenden visuelle Leitplanken (Bild 3). So werden waagerecht Anlagen ausgegraut, die den festgehaltenen Prozessschritt nicht bearbeiten können. In der Vertikalen wird das Zeitintervall weiß hervorgehoben, in dem der Prozessschritt stattzufinden hat, um zeitliche Übergaberestriktionen zum Vorgängerprozess zu erfüllen. Im dargestellten Fall (Bild 3 ) soll z. B. das Härten innerhalb von 24 Stunden nach dem Schmieden beginnen.

Bild 3: Bei Ein- bzw. Umplanungen weisen visuelle Leitplanken auf missachtete Planungsregeln hin (Quelle: BGH Edelstahl Siegen)
Nutzenden des WB-Planers steht es frei, diese visuellen Leitplanken zu ignorieren. Die Software erkennt das und kommuniziert dies in Form eines kleinen roten Ausrufezeichens in der Ansicht. Ein solcher Planungshinweis erscheint immer dann, wenn eine einzuhaltende Restriktion nicht erfüllt wird. Die bestehende Planung wird somit durchgängig und automatisch auf missachtete Planungsregeln überprüft. Durch Klick auf ein rotes Dreieck erhalten Nutzende Details darüber, welche Planungsregel im jeweiligen Fall gebrochen wird. In Bild 4 beispielsweise werden Nutzende darauf hingewiesen, dass Material von zwei Ofenlosen gleichzeitig im selben Wasserbecken abzuschrecken ist und dies zu einer Überbelegung des Beckens führt. Die Planungsdiskrepanz kann durch Verschieben eines der Ofenlose aufgelöst werden. Sobald die Planung zufriedenstellend ist, können Nutzende diese festsetzen (dargestellt durch graue Prozessbalken) und so an die Fertigung kommunizieren.

Bild 4: Durch Klick auf ein rotes Dreieck erhalten Nutzende Details darüber, welche Planungsregel im jeweiligen Fall gebrochen wird
(Quelle: BGH Edelstahl Siegen)
Die Planungsansicht wird laufend aktualisiert. Da durch die Datenschnittstelle automatisch die Rückmeldungen aus der Fertigung aufgenommen werden, bildet die Planungsansicht sowohl die Historie von real abgeschlossenen Prozessen (schwarz umrandete, graue Balken) als auch den aktuellen Ist-Zustand von momentan durchgeführten Prozessen sowie zusätzlich einen Blick in die geplante Zukunft ab.
Optimierte Planung auf Knopfdruck: durch Planungs-KI
Anstelle der manuellen Planung können sich Nutzende einer spezialisierten Planungs-KI bedienen. Diese definiert automatisch und in kurzer Zeit einen Plan, der nicht nur sämtliche Restriktionen und Vorgaben erfüllt, sondern auch bezüglich der nutzerseits ausgewählten Bewertungsziele optimiert.
Dazu wird das Cockpit zur Planungsoptimierung aufgerufen. Darin ist anhand des Schichtplans in der Schmiede der Zeithorizont auszuwählen, der beplant werden soll. Außerdem ist die Menge an Aufträgen in Form von Schmiedeprozessen und Ofenlosen auszuwählen, die eingeplant werden sollen. Schon hier findet ein ausführlicher Datenabgleich der auf diese Weise definierten Planungsaufgabe statt. Falls z. B. Aufträge ein im
Planungszeitraum nicht eingesetztes Schmiedewerkzeug fordern oder planungsrelevante Daten an den Fertigungsaufträgen fehlen bzw. widersprüchlich sind, wird anhand von Planungshinweisen darauf hingewiesen. Abschließend können Nutzende das Optimierungsziel festlegen. Zur Auswahl stehen: 1. Die Priorisierung von schnellstmöglicher Fertigstellung oder 2. der Eco-Modus zur ökologischen und ökonomischen Optimierung der Prozesse.

Bild 5: Stand der Planungsoptimierung nach 5 Sekunden, 20 Sekunden und 30 Sekunden
(Quelle: BGH Edelstahl Siegen)
Während der Optimierungsrechnung gibt der WB-Planer Informationen über Kennzahlen des bisher besten gefundenen Plans aus (Bild 5). Der optimierte Plan wird in der Planungsansicht präsentiert (Bild 6). So werden in Sekundenschnelle Fertigungspläne für mehrere Tage ermöglicht, die eine optimale Ofenauslastung bei maximaler Tonnage umsetzen. Eine optimale Ofenauslastung bedeutet, Ofenstillstände zu reduzieren und – im Falle des Eco-Modus – Restwärme nach einer abgeschlossenen Ofenreise für die nächste zu nutzen. Es ist sichergestellt, dass alle Restriktionen, Kapazitäten und Vorgaben an die Planung, Wärmebehandlungen und Anlagen eingehalten sind. Es ist ausgeschlossen, dass eine geforderte Restriktion von dem Planungsalgorithmus missachtet wird.

Bild 6: Die Planungsansicht zeigt den optimierten Plan
(Quelle: BGH Edelstahl Siegen)
Es bleibt dem Benutzenden dennoch unbenommen, den optimierten Plan mit Hilfe der oben vorgestellten Drag-&-Drop-Funktionalitäten manuell zu übersteuern. Dabei ist es wichtig, dass der menschliche Planungsverantwortliche die Oberhand über die Planung behält. Durch die visuelle Darstellung der Planung kann sich der Benutzende interaktiv von der Qualität der optimierten Planung überzeugen.
Zugrunde liegende Mathematik und KI
Dass eine Aufgabe, für die ein Mensch mehrere Stunden aufzuwenden hat, nun auf Knopfdruck in Sekundenschnelle erledigt wird, ist passgenau eingesetzter Mathematik und darauf basierenden Algorithmen zuzuschreiben. Das Feld der Künstlichen Intelligenz (KI) ist vielfältig und sehr umfassend. Entscheidungstragende, die KI erfolgreich einsetzen wollen, sollten KI-Technologien und vor allem deren Einsatzmöglichkeiten und Lösungsfähigkeiten in ihren Grundzügen zu unterscheiden wissen.
Der am weitesten verbreitete Teilbereich der KI ist die Prognose-KI mit ihrem bekanntesten Vertreter, dem Maschinellen Lernen (englisch: Machine Learning). Maschinelles Lernen ist in der Lage, große Mengen historischer Daten zu verarbeiten, Muster zu erkennen und so aus der Vergangenheit zu lernen, um Vorhersagen und Aussagen über die Zukunft zu treffen. Mit dieser Technik kann z. B. ein Navigationsdienst wie Google Maps Stauprognosen erstellen oder eine Anlagensoftware abschätzen, wann welches Bauteil ausfallen wird und damit eine Wartung nötig ist (Predictive Maintenance).
Für eine automatische Planungsoptimierung der Wärmebehandlung ist die Fähigkeit der Vorhersage nicht zielführend. Eine automatische Nachahmung der menschlichen Planer würde zwar den Planungsaufwand verringern, aber eine verbesserte Planqualität z. B. im Sinne der Ressourceneffizienz ist damit nicht erreichbar. Ganz im Gegenteil: Anhand der Historie nachgeahmte Pläne würden dieselben Schwächen oder gar Planungsfehler enthalten.
Der WB-Planer basiert auf einer Planungs-KI, genauer gesagt der Technologie der Mathematischen Optimierung (englisch: Mathematical Optimization, siehe auch Operations Research oder Decision Intelligence). Mathematische Optimierung lernt nicht aus historischen Plänen, wie bisher geplant wurde. Vielmehr wird der Mathematischen Optimierung im Vorfeld vollständig beigebracht, wie geplant werden darf, um für die Zukunft bestmögliche Handlungsempfehlungen zu geben. In enger Zusammenarbeit mit den Experten der BGH durchdrang das Team von gapzero alle planungsrelevanten Details und erarbeitet eine mathematische Beschreibung, eine Art mathematischen Zwilling der Planungssituation, die die Mathematische Optimierung versteht. Sie bildet das gesamte Spektrum der zulässigen Planungsmöglichkeiten ab, beschrieben und abgegrenzt durch Restriktionen, Regeln und Vorgaben, aber auch Freiheiten der Planungsaufgabe. Dies sind simple Vorgaben wie „Ein Ofen mit einer Länge von 15 Metern kann nur Material bis zu dieser Länge behandeln.” oder auch verknüpfende wie zeitliche Restriktionen zwischen zwei Wärmebehandlungsschritten. Anhand einer weiteren Beschreibung des Optimierungsziels, z. B. dass das Ausnutzen von Ofenwärme bevorzugt wird, erhält die Mathematische Optimierung die Fähigkeit, Pläne qualitativ bewerten und so miteinander vergleichen zu können. Es entsteht ein hoch-kombinatorisches Konstrukt aus ineinander verflochtener und abhängiger Teilentscheidungen, welches die Mathematische Optimierung beherrschen kann.
Mathematische Optimierung ist erprobt und besonders bei führenden globalen Unternehmen verbreitet. So setzen 85 % der 500 umsatzstärksten US-Unternehmen diese Planungs-KI in ihrem Betrieb ein. Digitale Herausforderer wie Flaschenpost, Uber oder HelloFresh revolutionieren ganze Branchen mithilfe Mathematischer Optimierung.
Erste Anwendungserfahrungen
Der Status quo ante war eine Softwareumgebung, in der z. B. Zeitpunkte Ziffer für Ziffer eingegeben werden mussten und ein statisches Gantt-Diagramm in einem separaten Programm generiert werden musste. Für die Planung eines Produktionstages benötigten Nutzende einen knappen Arbeitstag. Die Inbetriebnahme der manuellen Planungsoberfläche im Januar 2023 hat bereits deutliche Verbesserungen gebracht. So können nun einzelne Wärmebehandlungslose in der manuellen Planung einfach und zeitsparend mithilfe von Drag-&-Drop umgeplant werden. Ebenso ist die Ansicht der Planung übersichtlicher und für Mitarbeitende in der Wärmebehandlung digital einsehbar. Erforderliche Informationen zu den Wärmebehandlungslosen sind nun per Mausklick abrufbar. Damit wird ein potenzieller Übertragungsfehler von relevanten Prozessdaten nunmehr ausgeschlossen.
Mit der Inbetriebnahme der automatischen Planungsoptimierung im August 2023 konnte der Aufwand noch zusätzlich deutlich reduziert werden. Das Programm für einen kompletten Planungstag kann nun innerhalb von maximal 1,5 Stunden komplettiert werden. Dies gibt den Nutzenden Freiraum für wichtigere Tätigkeiten. Des Weiteren konnte die Planung wesentlich präzisiert werden, sodass die Kapazitäten in der Wärmebehandlung optimal ausgenutzt werden können und „Staus” von Material, welches umgehend in Wärmebehandlungsöfen übernommen werden muss, vermieden werden.
Ausblick: weitere Optimierungsunterstützung im Blick
Die Planungssoftware wird derzeit für eine weitere Fertigungslinie im Werk Eintracht angepasst. Aufgrund von überwiegend Direktübernahmen aus dem Stahlwerk müssen Schmiede und Wärmebehandlung auf Änderungen im Betriebsablauf reagieren können. Das Konzept von gapzero sieht vor, die Planungsansicht und -algorithmen des WB-Planers so anzupassen, dass mit den vorhandenen Unsicherheiten bestmöglich umgegangen werden kann.
Abweichungen im Betriebsablauf optimal meistern, das ist auch die Überschrift der Weiterentwicklung des WB-Planers für den Standort Siegen-Weidenau. Die im ersten Ausbauschritt für die Vorplanung eingesetzte Planungsansicht und Optimierungsalgorithmen werden zu einer Live-Plantafel erweitert. Für den Fall, dass eine Ofenkurve nicht wie geplant gefahren werden kann, so dass das Ziehen des Materials sich verzögert oder ein Aggregat spontan ausfällt, sorgt eine automatische Re-Optimierung für die beste Handlungsempfehlung. In diesem Zuge wird auch eine hiermit verknüpfte, neue Ansicht für das Personal an den Öfen entwickelt. Ähnlich wie bei einer Abflugtafel am Flughafen wird dargestellt, welche Arbeit an welchem Ofen als nächstes ansteht. In derselben Ansicht können Rückmeldungen einfacher und detaillierter erfasst werden als es im bisher angewendeten Prozess der Fall war. Diese neuen Informationen können direkt bei der Re-Optimierung genutzt werden.
Darüber hinaus liegen auf Seiten von gapzero Konzepte und erste Projekterfahrungen vor, um die vorgeschaltete Planungsarbeit der Bildung von Wärmebehandlungslosen automatisch und vor allem ressourcenoptimiert zu ermöglichen. Die Zusammenstellung von Ofenlosen ist ein wichtiger Hebel, um Ofenauslastung und somit den spezifischen Energieeinsatz zu verbessern.
Literatur
[1] Beer, S.; Müller, M.; Hippenstiel, F. und Janz, W.: Optimierung der Wärmebehandlung durch eine fortschrittliche Induktionsanlage, elektrowärme international, 02 (2017), S. 51-55
[2] Hippenstiel, F.; Janz, W. und Müller, M.: Direct Quenching After Forging and Inductive Re-heating – A New Efficient Process Technology, BHM (2018), 163. Jg., Heft 9, S. 384 – 389
[3] Gurobi Optimization, LLC: State of Mathematical Optimization Report, 2021
[4] Goderbauer, S: Vortrag auf der 25-Jahresfeier der Effizienz-Agentur NRW zum Thema Ressourceneffizienz 4.0, 24. Oktober 2023, https://www.ressourceneffizienz.de/aktuelles-termine/detailansicht/effizienz-agentur-nrw-feiert-25-jaehriges-jubilaeum-ressourcenschonung-zukunftsfaehig-weiterdenken
Autoren:

Dr. Sebastian Goderbauer (Quelle: BGH Edelstahl Siegen)
Dr. Sebastian Goderbauer
Experte Mathematische Optimierung
gapzero mathematical decision support GmbH
+49 (0) 175 4705 265
goderbauer@gapzero.de
Dr. Frank Hippenstiel
Geschäftsführer Technik
BGH Edelstahl Siegen GmbH
+49 (0) 271 701 410
frank.hippenstiel@bgh.de

Jonas Metzger (Quelle: BGH Edelstahl Siegen)
Jonas Metzger
Betriebsbereichsleiter Wärmebehandlung
BGH Edelstahl Siegen GmbH
+49 (0) 271 701 304
jonas.metzger@bgh.de

Michael Müller (Quelle: BGH Edelstahl Siegen)
Michael Müller
Betriebsleiter Schmiede und Wärmebehandlung Weidenau
BGH Edelstahl Siegen GmbH
+49 (0) 271 701 271
michael.mueller@bgh.de