Ohne grüne Energie kann es auch keinen grünen Stahl geben. Die Verfügbarkeit kosteneffizienter grüner Energie, sei es Wasserstoff oder Strom, ist jedoch von Region zu Region sehr unterschiedlich, und die Transport- und Speichermöglichkeiten stellen erhebliche Schwierigkeiten dar.
Um diese Herausforderungen zu meistern, ist die Verwendung von Ammoniak als Wasserstoffträger auch für die Stahlproduktion eine praktikable Lösung. Da es sich bei Ammoniak um das zweitgrößte Produkt der chemischen Industrie handelt, sind die Methoden zur Handhabung, Lagerung und zum Transport von Ammoniak zuverlässig und gut etabliert.
Vorteile von Ammoniak
Der Energietransport in Form von Ammoniak ist aufgrund seiner Eigenschaften, nämlich seiner höheren Energiedichte als Wasserstoff und seines leicht erreichbaren Verflüssigungsdrucks und seiner Temperatur, die die Kosten für die Eindämmung und den Transport senken, sehr attraktiv.
Ein kosteneffizienter Energieträger für den Transport und die Speicherung von Energie über große Entfernungen ist für Länder wie Deutschland von entscheidender Bedeutung, die möglicherweise mit Einschränkungen bei der heimischen Energieerzeugung oder der Kostenwettbewerbsfähigkeit konfrontiert sind und Energie auf wirtschaftliche Weise importieren müssen. Mit anderen Worten: Das Ammoniak-Konzept ermöglicht es den Kunden, geografische und wirtschaftliche Beschränkungen zu umgehen und auf kostengünstige Energie aus der Ferne zuzugreifen.
Ammoniak bietet mehrere weitere Vorteile, die es zu einer attraktiven Alternative zu Wasserstoff machen:
- Verfügbarkeit: Ammoniak ist eine der am häufigsten produzierten Chemikalien weltweit, mit Millionen von Tonnen jährlich für verschiedene industrielle Anwendungen, insbesondere in der Landwirtschaft zur Herstellung von Düngemitteln. Seine breite Verfügbarkeit macht es zu einer leicht zugänglichen Ressource für Stahlhersteller.
- Energiedichte: Während Ammoniak im Vergleich zu Wasserstoff eine höhere Energiedichte nach Volumen aufweist, hat es eine geringere Energiedichte nach Gewicht. Das bedeutet, dass ein kleineres Volumen Ammoniak eine ähnliche Energiemenge wie Wasserstoff liefern kann, was es für Transport und Lagerung praktischer macht.
- Reduktionspotenzial: Bei Erhitzung kann sich Ammoniak in Stickstoff und Wasserstoffgas zerlegen, ein Gemisch, das sich ideal als Reduktionsmittel in der Stahlerzeugung eignet. Diese Zersetzungsreaktion kann bei Temperaturen ablaufen, die in einem Stahlwerk durch die Verwendung von Abgasen aus der Stahlerzeugung leicht zu erreichen sind, was es zu einer sehr attraktiven Option für die Reduktion von Eisenerz zu metallischem Eisen macht.
- Umweltaspekte: Die Ammoniakproduktion kann von fossilen Brennstoffquellen abgekoppelt werden, indem erneuerbare Energiequellen für die Wasserstoffproduktion genutzt und anschließend in Ammoniak umgewandelt werden. Dies führt zu einer Verringerung der Treibhausgasemissionen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Wasserstoff zwar als einfaches und logisches Reduktionsmittel in der Stahlerzeugung angesehen wird, Ammoniak jedoch aufgrund seiner Kosteneffizienz bei Transport und Lagerung, seiner bewährten Handhabungseigenschaften und seines Potenzials zur Verringerung der Treibhausgasemissionen eine überzeugende Alternative darstellt.
Verwendung von Ammoniak in dem Paul Wurth EASyMelt
In der Stahlindustrie ist der Paul Wurth EASyMelt die Antwort der SMS group auf die Überwindung der Marktgrenzen der Direktreduktionstechnologie. EASyMelt ist ressourcenflexibel, wesentlich kostengünstiger und bietet einen schrittweisen Ansatz zur Emissionsminderung. Insbesondere bei der Verwendung von Ammoniak als Reduktionsmittel verfügt EASyMelt über ein bemerkenswertes Potenzial. Einige häufig diskutierte Nachteile von Ammoniak sind in der Anwendung entweder irrelevant oder können mit dem EASyMelt sogar in Vorteile umgewandelt werden.
- Heizwert: Es ist zwar richtig, dass Ammoniak im Vergleich zu herkömmlichen Brennstoffen (wie H2, NG) einen niedrigeren Heizwert besitzt, aber die Zahlen allein zeigen nicht das ganze Bild. Die logistischen Vorteile des Transports von Ammoniak im Vergleich zu Flüssigwasserstoff sind unbestreitbar: geringere Leckagerisiken und geringerer Kühlungsbedarf bilden die Grundlage für eine effizientere und kostengünstigere Lösung.
- (Un)bewährte Technologien: Die Technologie des Ammoniak-Crackens hat sich im kleinen Maßstab beim Glühen von Metallen und im großen Maßstab bei der Deuteriumregeneration in Kernkraftwerken bewährt. Um den Wirkungsgrad für die einzigartigen Anforderungen der EASyMelt zu optimieren, ist die SMS group bereit, die Industrie mit Ammoniak zu verändern.
- Wirkungsgrad: Bei den beiden Lösungen für konventionelle Eisenproduktion, dem Blue Blast Furnace und dem EASyMelt, umgeht die SMS group den energieintensiven Prozess der Spaltung zur Rückgewinnung von Wasserstoff. Stattdessen verwendet sie einen Cracker, der zwar viel Energie verbraucht, aber 85 % der im Cracker verbrauchten Energie wieder in den EASyMelt zurückführen kann.
- Toxizität: Wie bereits erwähnt, ist Ammoniak die am zweithäufigsten produzierte Chemikalie weltweit, weil sie für unser Überleben als Spezies unerlässlich ist. Es kommt zwar zu Unfällen, aber nur, wenn die auf jahrhundertelanger Erfahrung beruhenden Sicherheitsverfahren nicht beachtet werden. Ammoniak hat auch einen sehr starken Geruch, der an verfaulten Fisch erinnert, selbst bei sehr niedrigen ppm-Werten, was eine tödliche Vergiftung äußerst unwahrscheinlich macht.
- Leckagen: Das EASyMelt-Verfahren arbeitet in einem vollständig geschlossenen System, was eine grundlegende Abkehr von der Ausbringung von Düngemitteln auf offenen Feldern darstellt, die traditionell zu direkten NH3-Emissionen führt. Durch die Einschließung des Prozesses verhindert EASyMelt wirksam das Entweichen von Ammoniak und stellt sicher, dass die Verbindung effizient und mit minimalen Auswirkungen auf die Umwelt genutzt wird. Die ausgeprägten Verbrennungseigenschaften von Ammoniak, zu denen eine sichtbare Flamme und ein stechender Geruch gehören, bieten inhärente Sicherheitsmaßnahmen. Diese Eigenschaften erleichtern die sofortige Erkennung von Lecks und ermöglichen ein schnelles Eingreifen.
Fazit
Letztlich kann Ammoniak grünen Wasserstoff zwar nicht vollständig ersetzen, aber es kann als wichtige Übergangsressource dienen, wenn kein grüner Wasserstoff verfügbar ist. Die Integration von Ammoniak als Reduktionsmittel in den EASyMelt-Prozess minimiert die Nachteile von Ammoniak und bietet einen vielversprechenden Ansatz für grünen Stahl. Die Realität zeigt, dass eine Einheitslösung unwahrscheinlich ist. Bei der Applikation von Ammoniak in dem Paul Wurth EASyMelt werden die wenigen Risiken sehr stark reduziert, was neue Möglichkeiten für eine umweltfreundliche Stahlproduktion eröffnet. Wenn das Potenzial von Ammoniak genutzt wird, kann es dazu beitragen, eine nachhaltigere und bessere Zukunft zu schmieden.
Autor
Tom Brinckmann
SMS group